Bornhöft, Achim

Naturell / Concent / Lack / Infrarot / Sepia / Aceton

Verlag/Label: Wergo «Edition Zeitgenössische Musik» des DMR, WER 65772
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2011/01 , Seite 90

Musikalische Wertung: 4
Technische Wertung: 5
Repertoirewert: 4
Booklet: 4
Gesamtwertung: 4

Den Rahmen von Achim Bornhöfts Porträt-CD markiert – in zwei unterschiedlichen Versionen den Eindruck unbestimmter Naturlaute hinterlassend – die Computermusik Naturell (2010), die zugleich die wichtigsten Kriterien der versammelten Kompositionen unterstreicht: ihre in gewissen Grenzen flexible Werkgestalt sowie die zentrale Bedeutung elektronisch generierter Komponenten. Dem ersten Punkt ist es zu verdanken, dass hier, wie Stefan Fricke im Booklet hervorhebt, eine Musik erklingt, die der Komponist im Zuge des Produktionsprozesses für die Möglichkeiten und Begrenzungen des Mediums CD und des damit verbundenen Stereo-Formats adaptierte, indem er beispielsweise in «räumliche wie zeitliche Proportionen der Originalpartituren» eingriff.
Der zweite Aspekt macht sich dagegen in den Klanggestalten fast aller Werke bemerkbar: So erweist sich Lack (2005) als Studie, die gerade an jenen Stellen zu einer plastisch geformten Klangdichte findet, wo die Live-Elektronik die filigranen Instrumentalklänge von Flöte und Klarinette aufgreift, sie vervielfältigt und miteinander verwebt, um daraus Klangbündel von intensiver Strahlkraft zu formen, aus denen sich wiederum die Konturen der beiden Instrumentalstimmen herausschälen. Ein vergleichbares Wech­selverhältnis zwischen elek­tronischen und instrumentalen Komponenten ist für die Komposition Infrarot (1999) maßgeblich, in der Bornhöft die über Tonband zugespielte elek­tronische Transformation von Schlagzeugklängen im­mer wieder über den Vortrag des Percussion-Quartetts wuchern lässt und beide Klangquellen fantasievoll miteinander verstrickt, indem er sie in eine oft an die Aura konkreter Klänge gemahnende Textur einspinnt.
Auch in Aceton (2009) dominiert die Live-Elektronik das Klangbild, greift Impulse aus dem Spiel der vier E-Gitarren auf und betont dadurch an einigen Stellen die repetitiven Elemente der Musik. Das Streichquartett Concent (2006) wiederum überrascht durch die Erzeugung subtiler live-elektronischer Klangschatten und überzeugt mit zarten Passagen, in die sich gelegentlich Zitatsplitter mischen; dort allerdings, wo sich die Musik zwischenzeitlich dem typischen Voka­bular einer Neue-Musik-Rhetorik für Streichinstrumente annähert, verliert sie auch etwas an Spannung.
Lediglich in der Komposition Sepia für Flöte, Klarinette, Violine, Violoncello und Klavier (2008) verzichtet Bornhöft dann auf elektronische Zutaten: Durch geschickte Gegenüberstellung der unterschiedlichen Klangfarbentypen von Streichern, Bläsern und Klavier schreibt er der Musik eine Reihe sehr kraftvoller Momente ein, die sich allerdings weniger den – eher bedächtigen – dynamischen Ausbrüchen als einer Konzentration auf klangliche Feinheiten verdanken, die sich aus leisen und tastenden Momenten ergibt.
In ihrer Gesamtheit ist damit eine sehr runde Porträt-CD entstanden, bei der die Zusammenhänge, die Bornhöft als gedankliche Entstehungsimpulse für seine Musik nutzt (und von denen die Werktitel künden), zugunsten einer abwechslungsreichen Arbeit mit dem Klang in den Hintergrund treten.
Stefan Drees