Mendoza, Elena

Niebla – Szenen / Fe de erratas / Gramática de lo indecible

Verlag/Label: Wergo WER 65802
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2011/04 , Seite 98

Musikalische Wertung: 3
Technische Wertung: 5
Repertoirewert: 3
Booklet: 3
Gesamtwertung: 4

Es war nicht die glücklichste Wahl Elena Mendozas, eine Zusammenstellung einzelner Szenen aus Niebla, ei­nem in gemeinsamer Autorschaft mit Matthias Rebstock entstandenen Musiktheaterprojekt auf der Grundlage von Miguel de Unamunos gleichnamigem Roman aus dem Jahr 1914, in den Mittelpunkt ihrer Porträt-CD zu stellen. Knapp 45 Minuten lang hat man den Eindruck einer zwar handwerklich korrekt gefertigten zeitgenössischen Musik, die sich jedoch, ausgehend von einer recht pathetisch wirkenden Behandlung der Stimmen, kaum vom Gros heute üblicher Festival-Produktionen abhebt. Viel zu stark ist die Dominanz musiksprachlicher Details, denen man allenthalben als Versatzstücke einer akademisch gewordenen Avantgarde begegnet: Tremolo-Flirren, hoquetusartige Sprachfragmentierungen, Klang- und Geräuschtexturen, aufgeraute Tongebung, Flüsterausbrüche – Permutationen sich wiederholender Grundsituationen also, die immer wieder dieselben Zugriffe auf das Material hervorkehren.
Das unbestimmte Gefühl stellt sich ein, dass die Komponistin zu diesem konventionellen Vokabular gegriffen hat, um der Textebene zur Deutlichkeit zu verhelfen. Das ist umso bedauerlicher, als die Musik an einzelnen Stellen durchaus Ansätze zu einer starken, suggestiven Wirkung entfaltet und dort, zusätzlich unterstützt durch einen technisch brillant eingefangenen Klangraum voller Tiefenschärfe, über das Gesamtergebnis hinausweist. Doch Mendoza hält diese Konzentration nicht immer durch, so dass die Niebla-Szenen nicht nur den ausgedehntesten, sondern zugleich auch schwächsten Teil der Produktion bilden: ein Werk, das wohl ganz entscheidend auch einer visuellen Ebene bedarf und vielleicht deshalb auf CD nur unter erheblichen Einbußen funktioniert.
Viel deutlicher kommt das Können der Komponistin dagegen in den übrigen Stücken zum Ausdruck: In der A cappella-Vokalkomposition Fe de erratas modelliert Mendoza, ausgehend von einem zunächst unbeweglichen Cluster, einen dynamisch flexibel gehaltenen, manchmal in Flüsterkaskaden, manchmal in Glissandobewegungen aufgelösten Vokalklang, dessen transparente Setzweise aus der Ferne an die musikalischen Traditionen der Vokalpolyphonie erinnert. Analog hier­zu kommen in Gramática de lo indecible die instrumentalen Qualitäten ihrer Arbeit zum Zug: Sich gegeneinander verschiebende Ereignisschichten sowie die kontrapunktische Führung von Klangfarbenverläufen und Impulsen bilden ein adäquates Gegenstück zur Vokalkomposition, weil die dort hervortretenden kompositorischen Elemente nun ins Instrumentale überführt und dessen klanglicher Substanz angepasst werden. Hier kann man dann – unterstützt durch die ausgezeichneten Umsetzungen – Momente erleben, die aufhorchen lassen, weil das benutzte Vokabular zu eigenständigen, dramaturgisch sehr geschickt arrangieren Verläufen geformt wurde.
Stefan Drees