Adams, John

Nixon in China

Verlag/Label: 3 CDs, Naxos 8.660022-24
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2010/03 , Seite 78

Musikalische Wertung: 4
Technische Wertung: 4
Repertoirewert: 3
Booklet: 4
Gesamtwertung: 4


Als eine der wenigen Opern, die im letzten Vierteljahrhundert in den USA entstanden, erfreut sich Nixon in China seit der Uraufführung 1987 in Houston anhaltender Beliebtheit. Für die Opera Colorado in Denver (in Kooperation mit diversen Opernhäusern des Landes) schuf der Regisseur James Robinson die hier live aufgezeichnete Neuinszenierung. Dem Anlass entsprechend – 2008 feierte sie ihr 25-jähriges Jubiläum – unterstützte die Opera Colorado das Bemühen des Regisseurs um eine sängerische Starbesetzung mit Thomas Hammons, den Henry Kissinger der Weltpremiere, Robert Orth (Richard Nixon), Maria Kanyova (Pat Nixon), Marc Heller (Mao Tse-tung), Tracy Dahl (Madame Mao) und Chen-Ye Yuan (Chou En-lai). Die Produktion, Frucht gemeinsamer Anstrengung der Opera Colorado und der Colorado Symphony Orchestra Association, ist zugleich ein Meilenstein auf dem unbequemen Weg der Dirigentin Marin Alsop (derzeit Chefin des Baltimore Symphony Orchestra), dem amerikanischen Publikum Schlüsselwerke des 20. Jahrhunderts nahe zu bringen.
Der Grundstein zum Erfolg der Oper liegt in der glücklichen Zu­sammenarbeit des Komponisten John Adams mit seiner Librettistin Alice Goodman. Im Frühstadium des Opern­projekts sammelten sie Nachrichtenmagazine, TV-Bänder und andere Medien rund um den 21. bis 27. Februar 1972, als US-Präsident Richard Nixon mit dem «Großen Vorsitzenden» Mao zusammentraf. Das recherchierte Material bildet die Text- und Motivgrundlage einer hochdramatischen Szenerie, eines bunten Gewebes aus aktuellen Ereignissen und Einblicken in die persönlichen Eigenheiten der beteiligten Politiker.
Beeinflusst von den Minimalisten Steve Reich und Phil Glass, bedient sich Adams wiederholungsträchtiger Melodik und simpler Harmonik, eingespannt in pulsierende Endlosschleifen – eine schablonenartige Musik, die gleichwohl sensibel auf szenische Wendungen und dramatische Umschwünge reagiert, wobei es zu dis­sonanten Klangsituationen kommen kann. Nixon in China hält sich im Formrahmen der großen Oper. Sie beginnt mit einem Eingangs-Chor, der dem Ehepaar Nixon quasi den roten Teppich ausrollt, bevor Arien und Ensembles das Gipfeltreffen, die Dreiergespräche zwischen Nixon, Kissinger und dem chinesischen Premierminister wie auch die kulturellen «fringe events» der First Ladies nachstellen. In einer Serie Innerer Monologe und kurzer Dialoge enthüllt der Schlussakt die inoffiziellen, sanfteren, verwundbaren Seiten der Hauptfiguren.

Lutz Lesle