Black, Annesley
No Use in a Centre
CD + DVD mit Computerspielen
Musikalische Wertung: 4
Technische Wertung: 5
Booklet: 5
Humor hat sie jedenfalls, die 33-jährige kanadische Komponistin Annesley Black, die unter anderem bei Mathias Spahlinger, Orm Finnendahl und Cornelius Schwehr in Freiburg studiert hat. Und eine hörbare Freude daran, plastische Klänge zu entwickeln, die einen förmlich anspringen. Nehmen wir zum Beispiel smoothe de la rooche II. Das Stück offenbart den vitalen Spieltrieb der Komponistin eine Musik, so bunt und mit Klängen vollgestopft wie eine asiatische Spielhölle. Klänge, die springen, gibt es hier übrigens im buchstäblichen Sinn. Das Stück ist als Komposition für drei «athletisch begabte» Schlagzeuger geschrieben, die auf der Bühne seilspringen müssen. Die Geräusche beim Springen, der Schwung des Seils, das Atmen der Musiker und wie sie konditionell an ihre Grenze geraten bilden das Material, mit dem Black komponiert. Für ihre Porträt-CD hat sie die Bühnenkomposition zu einer Art akustischem Comicstrip umgearbeitet. Elektronisch bearbeitete Stimmen, Tierlaute und Geräusche, die baukastenartig kombiniert werden, lassen einen Soundtrack entstehen, der gut auch Teil eines Computerspiels sein könnte.
«Für mein Komponieren spielen Visuelles und Bewegung sowie deren Koppelung mit Musik eine herausragende Rolle», schreibt Annesley Black im Booklet. Und deshalb liegt der CD tatsächlich eine DVD mit Computerspielen bei, die an der Kunsthochschule für Medien in Köln nicht nur zu ihrer Musik, sondern mit Klängen aus den auf der CD zu hörenden Stücken entwickelt wurden. Diese werden etwa bestimmten Objekten zugeordnet und während des Spiels immer wieder neu und anders kombiniert. So ähnlich funktioniert Blacks Musik auch sonst. Der kreative Input liegt vor allem auf der Erfindung origineller Klänge, die mal einer prozessartigen Entwicklung unterzogen werden, mal Ketten leicht modifizierter Wiederholungen bilden.
Das Prinzip der variierten Wiederholung prägt vor allem das Stück tender pink descender für zwei Kontrabassklarinetten, die sich in gegenseitiger Imitation wie ein Escher-Bild kreisförmig (und anders als der Stücktitel suggeriert) nach oben schrauben. Das hat die Sogkraft minimalistischer Patternmusik. Voller humoristischer Klangideen steckt auch aorko für Viola und Live-Elektronik.
Die Kehrseite von Blacks kleinteiligem Komponieren zeigt sich in den Ensemble- bzw. Orchesterstücken Humans in Motion und misinterpreting the 2008 south sudanese budget reform for the orchestra. Auch sie offenbaren Blacks überbordende Klangfantasie, doch durch die Konzentration auf Kleinstereignisse drohen die Kompositionen in ihre Einzelteile
zu zerfallen. Beiden Stücken liegen Texte über afrikanische Musik bzw. Gesänge aus dem Sudan zugrunde. Ob es Black dabei um eine politische Aussage geht, bleibt unklar. Offenbar generiert sie so in erster Linie musikalische Struktur. Einen schlüssigen Zusammenhalt vermag das stark
abstrahierte Material hier allerdings kaum zu stiften.
Elisabeth Schwind