Hefti, David Philip

Orchestral works & chamber music

Verlag/Label: NEOS 11120
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2012/04 , Seite 83

Musikalische Wertung: 3
Technische Wertung: 5
Booklet: 4

Gestaltwandel kennt keine Grenzen. Der Schweizer Komponist David Philip Hefti führt es in seinen Guggisberg-Variationen exemplarisch vor Ohren: das Streichquartett presst die stillvergnügte Wunderhornweise sechsfach variierend aus. Die Namen dieser Konzentrate – «Windungen», «Reflex(ion)», «Lichtkegel», «Schattenriss», «Idylle» und «Im / unter Strom» – spie­geln das Doppelgesicht seiner Poetik. Heftis Stücke sind ästhetische Gebilde aus Klang und Geräusch, die ihre Stofflichkeit hervorkehren. Doch drücken sie auch etwas aus, bergen Anmutungen, die ihnen anhaften wie Flechten am Gestein. In ihrer Knappheit empfehlen sich die Variationen als Lehr­beispiel einer neuen Qualität tönender Veränderungskunst: Extremfall einer Charaktervariation, die das Thema bis auf die Zellwände ausweidet, um ihm sein Geheimnis abzuringen.
Die Geräuschwelten, die Hefti dem herkömmlichen Instrumentarium ohne Elektronik abgewinnt, offenbaren dem geduldigen Ohr ihre mystische Innenseite – auch wenn Titel wie Gegenklang (Cellokonzert) oder Klangbogen so tun, als ginge es bloß um tönend bewegte Formen. Die Natur- und Mikrotonwelt dieses Orchesterstücks steht dem Poème lunaire für Viola und Klavier gar nicht so fern. Nicht zu beneiden ist die Sopranistin Sylvia Nopper, die durch drei Ag­gregatzustände (fest, flüssig, gasförmig) bergwärts hechelt, wie es der Lyriker F. P. Ingold in seinem gleichnamigen Drillingsgedicht vorgibt.     

Lutz Lesle