Peter Vogel: The Sound of Shadows
Dokumentation von Jean Martin und Conall Gleeson
Im Banne der Schaltkreise: Die klingenden Objekte von Peter Vogel
Wenn sich exakte Wissenschaft und Musik verbinden, kommt meist Überraschendes dabei heraus, und es erwachen Erinnerungen an alte Epochen, als die beiden Bereiche noch nicht getrennt waren. Ein Pionier auf diesem Weg war in der Nachkriegszeit der Mathematiker und Komponist Iannis Xenakis. Viele sind ihm seither nachgefolgt, so etwa der Amerikaner Roger Reynolds, der über die Physik zur Musik kam (siehe die DVD-Besprechungen in NZfM 2/2012), oder Clarence Barlow, der nach seinen naturwissenschaftlichen Studien in Kalkutta und London um 1970 Mitglied des Kölner Feedback Studios wurde und dort früh mit Elektronik experimentierte.
Auch der 1937 in Freiburg geborene Peter Vogel kommt von der Physik. Schon während des Studiums und des Berufslebens malte er und experimentierte mit Zeitstrukturen in der Bildenden Kunst, was ihn um 1970 zu seinen ersten kybernetischen Objekten führte. Seinen Brotberuf beim Chemiekonzern Hoffmann-La Roche, wo er sich unter anderem mit Gehirnforschung befasste, hängte er 1975 an den Nagel; seither arbeitet er als freiberuflicher Objektkünstler. Seine Schöpfungen, die in Galerien und, unter der Rubrik «Klangkunst», auch bei Musikfestivals zu sehen und zu hören sind, gehören einem Zwischenbereich an: bewegliche Objekte, die auf optische und akustische Reize reagieren, piepsende, fiepende und brummende Wandreliefs, die Assoziationen an grafische Partituren wachrufen, mit Transistoren und Kondensatoren als eine Art Notenköpfe und einem Liniengeflecht aus Verbindungsdrähten. Sie appellieren sowohl an die visuelle als auch an die akustische Wahrnehmung und stacheln durch ihre Machart obendrein die technische Neugierde des Betrachters an.
Ein Film von Jean Martin und Conall Gleeson zeigt den stillen und hartnäckigen Tüftler in seinem Atelier bei der Arbeit und gibt ihm ausführlich Gelegenheit zur Darlegung seiner Ideen und Verfahren. Die Kamera blickt ihm dabei über die Schulter und lässt die vielen kleinen Elektronikbausteine, die Vogel da gerade zusammenlötet, wie bizarre Insekten aussehen. In längeren Einstellungen demonstriert er, wie durch das mit Handbewegungen hervorgerufene Spiel von Licht und Schatten die technischen Objekte Klänge abzusondern beginnen.
Im Grunde genommen gehe es ihm weder um die Herstellung von Kompositionen noch von Klangskulpturen, erklärt Vogel, das seien bloß Nebenprodukte seines Experimentierens. Sein primäres Interesse gelte dem Wahrnehmbarmachen von Zeitstrukturen, und das könne er mit seinen kybernetischen Versuchsanordnungen eben am besten bewerkstelligen. Auch die Interaktion von einfachen technischen Organismen beschäftigt ihn, und er verweist auf die Forschungen des englischen Neurophysiologen Grey Walter, die ihn dazu angeregt haben.
Peter Vogel ist ein Charakterkopf. Mit starrer Buster-Keaton-Miene verrichtet er seine Bastelarbeit, und in gleicher Weise spricht er auch seine Erklärungen in die Kamera ein stoischer Einzelgänger, der sich durch nichts aus der Ruhe bringen lässt. Das färbt auf den Charakter der Dokumentation ab; ihr durchgängiges Grundtempo ist «Andante ma non troppo». So gut man damit den Ausführungen folgen kann auf Dauer wirkt es dann doch etwas lähmend, vor allem, wenn die zu Vogels Werk befragten Fachleute ihre Kommentare in einem ebenso gemessenen Tonfall und mit Sorgenfalten auf der Stirn abgeben, als ob es sich um einen Trauerfall handle. Dabei sind Vogels zusammengelötete Elektronikteile alles andere als tote Materie. Sie fügen sich zu zierlich gebauten, fröhlich vor sich hin glucksenden Objekten zusammen Fantasiegestalten, die ihre Signale aus der Welt der Kybernetik auf leichte und sogar heitere Weise an den Betrachter übermitteln.
Max Nyffeler