Maderna, Bruno
Piano Concertos / Quadrivium
Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 4
Booklet: 3
Der zunächst noch im Geist der italienischen Komponistengeneration von 1880 aufgewachsene Bruno Maderna suchte nach 1950 den Anschluss an die internationale Avantgarde, wobei er in den Bann der «Darmstädter Schule» geriet. In der Folgezeit begann er mit Serialismus, Elektronik und Aleatorik zu experimentieren, wobei ihm wohl selbst die eigenen schöpferischen Anfänge der 1940er Jahre außer Sicht gerieten. Erst recht blieben sie der musikalischen Öffentlichkeit verborgen. Was Madernas Jugendstreich von 1942, sein Klavierkonzert betrifft, so meldet das Lexikon Komponisten der Gegenwart das Stück noch in einer seiner jüngsten Nachlieferungen als verschollen. Doch das ist nicht mehr aktueller Stand. Das inzwischen wiederaufgefundene Werk konnte bereits im Oktober 2009 seine Auferstehung beim Verona Contemporanea Festival feiern; ein Mitschnitt der damaligen Aufführung ist als Ersteinspielung auf der vorliegenden CD zu erleben.
Dieses Klavierkonzert (nicht zu verwechseln mit jenem späteren, das 1959 in Darmstadt Premiere hatte) zeigt noch manche Traditionsverhaftung: Es lehnt sich an die herkömmliche dreisätzige Form an, wenn auch in Umkehrung der Tempo-Relationen und in der Zusammenziehung zum Einheitsablauf. Mit etwas herben Lyrizismen meldet sich zunächst das Orchester zu Wort, aus dessen Linien sich der Klavierpart erst allmählich herauslöst. Faszinierend zu verfolgen ist, wie der Komponist dabei nach einer eigenen Sprache sucht, wohl im Umfeld, aber nicht unter der Vormundschaft von Hindemith, Bartók und Strawinsky wobei die Vorbildwirkung der beiden Letzteren in Bezug auf Tonsprache und pulsierende Rhythmik in der zusätzlich eingespielten, klanglich quasi «skelettierten» Umarbeitung des Werks für zwei Klaviere aus dem Jahr 1946 noch deutlicher hervortritt.
Abermals Bartók, und zwar dessen «Sonate für zwei Klaviere und Schlagzeug», war Orientierungspunkt, als Maderna 1948 ein «Konzert für zwei Klaviere und Instrumente» schuf. Das ursprünglich ebenfalls dreisätzig konzipierte Werk liegt hier in seiner letzten, auf den ursprünglichen Schlusssatz reduzierten Gestalt vor, dem der Komponist eine spannungsvoll tastende Einleitung voranstellte, bevor sich ein motorisches und stark perkussives Musizieren entwickelt, bei welchem zum kompakten Klaviersatz allerhand effektvolle Schlagzeugeinwürfe hinzutreten.
Groß ist der stilistische Sprung von hier zu Madernas 1969 entstandenem «Quadrivium». Typisch ist dort die Verbindung des Avantgarde-Anspruchs mit der Traditionsbindung, wie schon der Werktitel zeigt: Er bezeichnet nicht nur die Aufteilung der Klangquellen auf vier Perkussionisten und Orchestergruppen, sondern verweist auch auf die Gruppe der vier höheren «artes liberales» der Antike. Die vorliegende Einspielung ebenfalls ein Live-Mitschnitt des Verona Contemporanea Festival zeigt, dass Madernas Komposition heute kein verstaubtes mathematisches Konstrukt ist, indem sie die sinnliche Seite des Werks mit seinen wechselnden Instrumentalfarben herausstellt.
Gerhard Dietel