Haubensak, Edu

Porträt-CD

Verlag/Label: Musiques Suisses MGB CTS-M 118
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2010/02 , Seite 89

Musikalische Wertung: 4
Technische Wertung: 4
Repertoirewert: 5
Booklet: 1
Gesamtwertung: 4
 

1956 in Helsinki geboren und an der Musikakademie Basel bei Thomas Kessler und Robert Suter ausgebildet, blieb Edu Haubensak außerhalb der Eidgenossenschaft nahezu völlig unbekannt. Ein Begriff ist er allenfalls der Komponistenszene, die mit neuen Ton- und Stimmungssystemen arbeitet. Seine Versuche mit umgestimmtem Klavier mündeten von 1989 bis 2005 in den zehnteiligen Zyklus Grosse Stimmung. Hier werden durch Skordatur die weißen und schwarzen Tasten als zwei eigenständige Skalen äquidistanter Tonfolgen behandelt, die im Zusammenspiel völlig neue Intervalle und Akkorde entstehen lassen.
In den Fünf Zusammenhängen von 2003 sind fast ausschließlich Intervall- und Skalenfolgen anzuschlagen, bei denen sich die ausklingenden Einzeltöne sukzessive zu mikrotonalen Harmonien überlagern. Hörbar werden rauschende Cluster, sirrende Intervallkomplexe und sanft schwebende Tonkombinationen. Klanglich interessant sind auch forcierte Repetitionen auf Basssaiten, die unter erhöhter Energiezufuhr ihre materiale Beschaffenheit in metallischem Klirren zu erkennen geben. Doch derlei bleibt eine bloße Fußnote zum ansonsten ganz auf Harmonik gerichteten kompositorischen Interesse. Das gestisch und rhythmisch einsinnige ständige Arpeggio der Musik führt zu einer Art Ziehharmonika-Effekt aus stereotypen Wechseln von Anschwellen und Ausklingen, Verdichten und Ausdünnen. So wirkt die Vieltönigkeit auf Dauer eintönig und ermüdend.
Tatsächlich macht die bloße Exploration ungewohnten Klangmaterials noch keine gute Komposition und verfährt Haubensak auch harmonisch zu undifferenziert. Die Tonfolgen des zweiten Satzes «Imitation» seiner Suite für Klavier in Skordatur von 2004 würden sich auf einem herkömmlich temperierten Instrument wie simple Kinderliedchen-Melodien ausnehmen, mit steifen Fingerchen auf der Tastatur gestochert. Zudem werden die im Verklingen und durch obligate Pedalisierung additiv sich bildenden Klangwolken nicht durch gezielt aufgehobene Tasten lebendiger und abwechslungsreicher ausgestaltet. Lediglich im Schlusssatz der «Suite» gibt es Resonanzeffekte von stumm gedrückten und real angeschlagenen Tasten. Von besonderem Reiz des Falschen Konzerts für 97 Saiten ist lediglich der dritte Satz «Rein», wo das Streichorchester Moll-Akkorde und mikrotonale Ausweitungen wechselseitig umfärbt. Ohne diese dialektische Spannung herrscht ansonsten gleichförmiges Diminuieren bzw. Glissandieren. Die Aufnahmen der CD sind von mäßiger Tonqualität und stammen von Live-Mitschnitten von Konzerten des Pianisten Tomas Bächli sowie des Orchesters Musikkollegium Winterthur unter Leitung von Heinz Holliger.

Rainer Nonnenmann