Beck, Thomas Taxus

Präludien / Ritual I (Earth) / Ritual II (Air) / Ritual II (Fire) / Ritual IV (Water) / Breath and Space (The Organs Bones) / Nachmittag mit und ohne Sonne

Verlag/Label: Valve Records #3687
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2012/03 , Seite 88

Musikalische Wertung: 3
Technische Wertung: 3
Booklet: 3

Geräusche, Stimmen und Musik hat Thomas Taxus Beck an verschiedenen «Warteorten» gesammelt: vor dem Kon­zertsaal, vorm Kulturzentrum und an Bahnhöfen in Düsseldorf und in seiner Heimatstadt Solingen. Heraus kamen in sechs Abschnitte geteilte Präludien. Elektronische Komposition aus Warteklängen. Leicht lokalisierbar sind die gedämpften Schumann-Interpreten hinter der Tür und die Lautsprecherdurchsagen des Bahnhofs, die Beck in Loops arrangiert und langsam ein- und ausblendet. Schwerer wird es mit allerhand perkussiven Impulsen, die die Komposition würzend begleiten.
Beck geht es um Orte, um die akustische Abtastung verschiedener Räume. Ähnlichkeiten mit Luc Ferraris «Musique anecdotique» stellen sich ein. Doch anders als Ferraris wärmende Poesie in dessen Werkreihe Presque rien haben Becks Präludien etwas Kühles an sich. Das mag an den harten Cuts liegen, an den nüchternen Stimmungen oder an den steril piependen Handys, die in einer aufdringlich nahen Mikrofonierung zu hören sind. Auf Dauer strengt die elfeinhalbminütige Sound­scape das Ohr jedenfalls an. Zunehmend drängt sich der Eindruck auf, dass das Konzept zumindest in solchem Gewand nicht trägt.
Zu den Präludien gesellen sich eine weitere elektronische Komposition namens Nachmittag mit und ohne Sonne (2006) sowie fünf Werke für jeweils ein Instrument plus Elektronik. In der Werkreihe Ritual bezieht sich Beck auf Papierobjekte der Düsseldorfer Künstler Bärbel Muhlack und Tobias Schwarzer. Entsprechend der Farbigkeit wollte Beck Kompositionen schaffen, «welche sich auf ganz eigene Weise mit der materiellen Struktur, den Farbkonzepten und ihrer Wirkung auseinandersetzen sollten». Monochrom sind die im Book­­let abgelichteten Objekte nicht, dafür aber die Musik. Statische Kargheit bestimmt das Klangbild, das nach der ersten halben Minute in jedem der vier Rituale im Grunde feststeht. Sicher kann das Festhalten an ausgewähltem Material seinen Zauber entfalten. Doch in den Ritualen wiederholt sich das Problem der Präludien: Objektive Nüchternheit schlägt um in zu trockene Sterilität.
Vielleicht muss für Becks Kompositionen erst der richtige Ort gefunden werden; durchaus vorstellbar, dass das zu einem Video von Theo Thiesmeier über eine Wandmalerei von Sabine Funke entstandene Nachmittag mit und ohne Sonne oder auch Ritual I-IV als Klanginstallation funktionieren könnten, in dem die Atmosphäre eines (nüch­ternen) Raums aufgeladen wird. Rezipiert als bloßer Klang fehlt den Kompositionen Wesentliches. Poesie vor al­lem, aber auch Entwicklungen, formale Gebundenheit und auch Flexibilität.

Torsten Möller