Entreß, Matthias R.

Raum-Musik mit Dissidenten

In H. Johannes Wallmanns Jürgen-Fuchs-Zyklus «Ich schweige nicht» erhält das Leid politisch Verfolgter bewegenden musikalischen Ausdruck

erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2014/06 , Seite 62
In seinem Werk «Ich schweige nicht» für Sopran, Bariton, Saxofonquartett und Percussion vertont der Komponist H. Johannes Wallmann den Autoren Jürgen Fuchs, der wegen seiner Werke Bespitzelung, Drangsalierung und Zersetzungsmaßnahmen der Stasi zu erleiden hatte, über seine Ausreise aus der DDR 1977 hinaus. Bereits in den 1970er Jahren kommt Fuchs in Wallmanns Werk vor, und die Verwendung seiner Texte markierte Wallmann schon zu Studienzeiten als Dissidenten. Die Botschaft, mit der sich die Uraufführung seines neuen Werks ankündigte, nämlich, dass der Unrechtsstaat DDR nicht erledigt sei, ließ ein Agitprop-Oratorium erwarten, einen mahnenden Aufschrei. Aber Wallmanns Musik spricht nicht im Ton aufgebrachter Massen. Die Eingrenzung auf eng mensurierte Klangballungen, melodische Gesten oder charakteristische Intervallsprünge musikalisiert, ja erhellt die von Bitterkeit, Trauer und tiefem Schmerz durchzogenen Texte. Seine Musik ist expressiv durchaus in einem romantischen Sinn. So werden in reicher Variation die menschlichen Gefühle der Beschwernis signalisiert und in eine Sphäre der Freiheit, nämlich des musikalischen wie sprachlichen Ausdrucks, erhoben.