Rohan de Saram

Werke von Luciano Berio, Rolf Gelhaar, Günter Steinke, Bernd Alois Zimmermann, Iannis Xenakis, Peter Ruzicka und Bernfried Pröve

Verlag/Label: edition zeitklang ez-25023
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2011/01 , Seite 86

Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 4
Repertoirewert: 4
Booklet: 4
Gesamtwertung: 4

Weniger ganz neue Werke als vielmehr einen Querschnitt durch die neue Musik des letzten halben Jahrhunderts stellt die CD Rohan de Sarams vor. Dass der langjährige Arditti-Cellist zahllose instrumentaltechnische Schwierigkeiten bravourös meistert, bedarf kaum mehr einer Erwähnung. Interessant ist allerdings die Auswahl der Kompositionen: Sequenza XIV hat Luciano Berio 2002, am Ende seines Lebens, eigens für de Saram geschrieben, nachdem dieser ihm seine 35 Jahre ältere Sequenza VI für Viola in einer Celloversion vorgespielt hatte. Der Charakter ist völlig anders: An die Stelle scharf angestrichener Tremoli, wie sie die Sequenza VI dominieren, tritt hier die ganze Vielfalt des Celloklangs von dunklen Pizzicati bis hin zu ätherischen Flageoletttönen. Als Hommage an den Widmungsträger, der aus Sri Lanka stammt, verstehen sich die Rhythmen der Kandyan-Trommel, die Berio an zwei Stellen der Komposition zitiert.
Mit, nicht gegen den Instrumentalklang arbeiten auch die anderen Kompositionen: Rolf Gelhaar blendet in Solipse immer wieder ein zeitverzögertes Echo mit ein: Obertonwirbel treten hervor, dichte Gewebe lösen sich vom Instrument wie ein fliegender Teppich. Günter Steinke baut in C-Arco aus kleinen, gestischen Zellen einen großen Bogen. Umgekehrt setzt der späte Bernd Alois Zimmermann 1970 in Vier kurze Studien jeweils ganz unterschiedliche Akzente: energisch gestrichene Töne mit Pizzicati durchsetzt, Pizzicati mit Flageolett, während lange, hohe Töne in Gleit­linien zerfallen. Ein besonderes Verhältnis hat de Saram auch zu Iannis Xenakis: Nomos Alpha stand am Anfang seiner Auseinandersetzung mit neuer Musik. Auf der CD erklingt Kottos, ein Stück über einen mythischen, hundertarmigen Riesen, symbolisiert durch funkelnde Glissando-Kaskaden zwischen einer grob gekratzten Felslandschaft.
Anders als die meisten Stücke der CD besteht Peter Ruzickas Sonate, ein Frühwerk von 1969, aus sieben kurzen, kontrastierenden Sätzen, die jedoch am Stück durchgespielt werden. Aus verbindendem thematischen Material greifen sie unterschiedliche Aspekte heraus, mal auf lang gezogenen hohen Tönen fast still stehend, dann wieder in heftiger Bewegung.
1963 geboren, ist Bernfried E. G. Pröve, zugleich künstlerischer Produzent der CD, schließlich der jüngste Komponist der Zusammenstellung des immerhin – man sieht es ihm nicht an! – auch schon siebzigjährigen Cellisten. Zugleich ist Pröves Pulsation VII, 2003/04 entstanden und de Saram gewidmet, das neueste Werk. Vor einem flirrenden elektronischen Klangvorhang setzt das Violoncello mit kräftigen Strichen umso markantere Akzente.
Dietrich Heißenbüttel