rounds per minute

Werke von György Ligeti, Bernd Alois Zimmermann, Helmut Lachenmann, Michael Gordon, Steve Reich und Alvin Lucier

Verlag/Label: Ensemble Modern Medien EMCD-006
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2009/05 , Seite 87

Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 4
Repertoirewert: 3
Booklet: 5
Gesamtwertung: 4

 

Den technischen Titel rounds per minute erhielt die programmatisch regelrecht als Album gestaltete CD durch Alvin Luciers RPM’s von 1987, einem Stück, bei dem ein Sechszylinder-Aston Martin nach exakt ausgearbeiteten Vorgaben auf Touren zu bringen ist. Auch die Uminstrumentierung für den 200 PS-Bassbariton eines Jaguars lässt ein raubkatzen­artiges Schnurren schlummernder Kräfte vernehmen, die den Sportwagen bei kleinster Reizung seines Vergaserhebels wild auffauchen lassen.
Der langjährige Cellist des Ensemble Modern, Michael M. Kasper, stellt Luciers Stück an das Ende der ihm gewidmeten Porträt-CD, um eine Entwicklung zu dokumentieren, die er im Beiheft lapidar auf den Nenner bringt: «Der Cellist verabschiedet sich.» Die versammelten sechs Stücke spiegeln die musik­historischen Prozesse weg von der Tonalität zur Zwölf­tonmusik, zur Emanzipation des Geräuschs, zum Einsatz von Elektronik und schließlich zur Aufhebung erst sämtlicher cellistischer, dann auch allgemein musikalischer Spiel- und Klangpraktiken.
Den Anfang macht György Ligetis frühe Cellosonate aus den Jahren 1948-53, deren erster Satz mit vollen Doppelgriffen, weichen Pizzikato-Arpeggien und in weiten Bögen ausgesungenen Kantilenen noch ganz aus der Tradition des Instruments heraus erfunden ist. Das gilt auch für die neoklassische Spielfreude des zwei­ten Satzes, dessen launige Tremoli und Läufe dem Titel Capriccio alle Ehre machen. Bernd Alois Zimmermanns 1960 für den legendären Siegfried Palm komponierte Sonate für Cello weist dann bereits den Weg, der zur radikalen Erweiterung der Spieltechniken in Helmut Lachenmanns Pression führt. Die in diesem Schlüsselwerk der «musique concrète instrumentale» zu Anfang ohne Bogenstriche ausgeführten, folg­lich fast tonlosen Finger-Glissandi über die Saiten wirken auf der CD zunächst etwas stumpf, als wäre bei der Aufnahme der Abstand zwischen Instrument und Mikrofon zu groß gewesen, so dass sich die Distanz nun auch zwischen Musik und Hörer drängt. Die anschließenden Perforationen dagegen springen den Hörer förmlich aus den Lautsprechern an, als wäre er unmittelbar Zeuge der mechanisch-energetischen Hervorbringung dieser Klänge.
Nach Lachenmanns Detailanalyse der Auswirkungen verschiedenster Druckverhältnisse von Griff- und Bo­genhand lassen die naiven Dur- und Moll-Dreiklänge in Michael Gordons Industry zunächst regelrecht zusammenzucken. Im weiteren Verlauf werden die sonoren Doppel- und Tripelgriffe des Stücks jedoch zunehmend elektronisch verstärkt, klanglich überformt und durch Bebungen schließlich so stark verzerrt, dass das Instrument seinen spezifischen Eigenklang völlig verliert. Folglich geht es ganz uncellistisch weiter, mit Steve Reichs Clapping Music und zum Abschied des Cellis­ten Alvin Luciers hochmotorisiertem RPM’s.

Rainer Nonnenmann