Henze, Hans Werner

Royal Winter Musik II / Carillon, Récitatif, Masque / An eine Äolsharfe

Verlag/Label: NCA 60227 (Membran Music)
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2012/02 , Seite 82

Musikalische Wertung: 4
Technische Wertung: 4
Booklet: 4

Bereits 1996 entstanden diese Aufnahmen; sie waren bereits einmal erhältlich und wurden nun vom Label New Classical Adventure wiederveröffentlicht. Über die erneute Bekanntschaft mit diesem Henze-Programm gibt es nur Positives zu berichten, denn die Einspielung zeichnet anhand dreier Werke für bzw. mit Gitarre ein ebenso kompaktes wie vielschichtiges Porträt des mittlerweile 85-jährigen Komponisten.
Drei der Hauptthemen von Henzes Komponieren finden sich hier auf engem Raum wieder. In der zweiten Sonate «Royal Winter Music» nach Charakteren aus Bühnenstücken William Shakespeares ist es vor allem die in Henzes Schaffen von Anfang an prominente Faszination durch das Theater, die musikalisch Gestalt gewinnt. Spielerisch weniger an die Grenzen gehend als die «Erste Sonate», widmet sich das 1979 vollendete Nachfolgewerk den Gestalten Andrew Aguecheek (Junker Bleichenwang), Bottom (Zettel) sowie der Lady Macbeth. Das als Filmmusik 1974 entstandene «Trio Carillon, Récitatif, Masque» bildet schon durch seine Besetzung (Mandoline, Gitarre und Harfe) eine Auseinandersetzung mit der Folklore von Henzes Wahlheimat Italien, aber nicht als direktes Zitat, sonder vielmehr durch die Evozierung einer vage volkstümlichen Klanglichkeit – wie stilisierte Tanzmusik eines imaginären Arkadien. «An eine Äolsharfe» schließlich, nichts anderes als ein viersätziges Gitarrenkonzert in Ensemblebesetzung, vertont in rein instrumentaler Form Gedichte von Eduard Mörike. Derartige Lyrikadaptionen ohne Worte finden sich häufiger bei Henze, nicht zuletzt in der Siebten und Achten Sinfonie oder den «Liebesliedern». Und nicht zuletzt manifestiert sich in dem von den Musikern präsentierten Werken Henzes Liebe zur Gitarre, die er ein «wissendes Instrument» nennt.
Die in Berlin ansässige Gitarristin Sabine Oehring betont in ihren Interpretationen vor allem den lyrischen, versonnen-versponnenen Charakter sowohl ihres Instruments als auch – und dies vor allem – der Musik Henzes. Für die «Royal Winter Music» etwa nimmt sie sich viel Zeit – weit mehr als etwa ihre Kollegen Dietmar Kreis (Wergo) oder Franz Halász (Naxos), hört in die Klänge hinein und schafft auf gleichermaßen introvertierte wie spannungsgeladene Weise den Boden für ein imaginäres Theater. Die durchaus auch vorhandenen aggressiven Elemente der Musik, etwa in der «Mad Lady Macbeth» scheinen sie weniger zu interessieren; beinahe freundlich wirkt die vom Wahnsinn umwölkte Dame bei ihr. Daran mag auch der recht weiche, die Kontraste etwas einebnende Klang beteiligt sein, der auch die instrumentalen Geflechte der Äolsharfe gelegentlich nicht ganz hinreichend abbildet. Doch wie die Musik am Schluss ganz allmählich sich auflöst – das gehört zu den berührendsten Momenten dieser CD. Mehr als adäquat begleitet wird die Solistin in diesem Werk vom boris blacher ensemble unter der Leitung des mittlerweile verstorbenen Friedrich Goldmann – hier hat sich ein bedeutender Komponist tatkräftig für einen Kollegen eingesetzt.

Thomas Schulz