Knox, Garth

Saltarello

Werke von Henry Purcell, Antonio Vivaldi, Garth Knox, Hildegard von Bingen, Guillaume de Machaut, Kaija Saariaho, John Dowland sowie Traditionals, Lieder und Tänze

Verlag/Label: ECM New Series 2157
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2012/04 , Seite 80

Musikalische Wertung: 3
Technische Wertung: 5
Booklet: 3

Die jüngste CD des Bratschisten Garth Knox, gemeinsam mit der Cellistin Agnès Vestermann und dem Perkussionisten Sylvain Lemêtre realisiert, gehört zu jenen Produktionen des Labels ECM, deren Ziel man als Präsentation einer Art Wohlfühlmusik bezeichnen könnte. Den Hörerinnen und Hörern wird ein integratives Konzept aus historischen Momentaufnahmen angeboten, das in diesem Fall den Bogen von der Musik Hildegard von Bingens über spätmittelalterliche Tanzweisen, Folksongs und Barockmusik bis hin zu zeitgenössischen Werken schlägt und vor allem klanglich den Eindruck vermittelt, dass dies alles irgendwie zusammengehört.
Auch wenn dabei manchmal recht eigenwillige Verbindungen zustande kommen, ist dies prinzipiell nicht schlecht; dass man dabei vorwiegend auf Bearbeitungen zurückgreift – lediglich bei den zeitgenössischen Viola-Stücken handelt es sich um Originalkompositionen –, liegt in der Natur der Sache und führt aufgrund der Kreativität aller Beteiligten zu schlüssigen Ergebnissen. So wird in den miteinander verschränkten Lesarten von Hildegard von Bingens Ave, generosa und Guillaume de Machauts Tels rit au matin qui au soir pleure die geistliche Melodie zunächst graduell erweitert, bis zu Knox’ Fiddle-Vortrag der Machaut-Weise das behutsam eingesetzte Perkussionsspiel Lemêtres hinzutritt. Dieses verleiht wiederum – diesmal weitaus extrovertierter – in den drei Tänzen aus dem 14. Jahrhundert und den keltischen Traditionals dem Streichinstrument eine rhythmische Grundierung und verknüpft damit die Musizierweisen dieser doch sehr unterschiedlichen Titel über die rhythmische Komponente miteinander.
An anderen Stellen sorgt das in gleichem Maße bedachtsam wie klangvoll geformte Cello-Spiel Vestermanns für ein Fundament, über dem sich Knox entfalten kann. Von Ausdruck und Musizierhaltung sind in dieser Hinsicht gerade die barocken Titel sehr schön gestaltet und zeichnen sich, wie Henry Purcells Music for a While, durch gelungene Phrasierungen und weich gezeichnete Bassverläufe aus. Gravierend ist allerdings das Intonationsdefizit, das Knox hier, in John Downloads Flow my Tears und vor allem im Duo-Arrangement von Antonio Vivaldis Viola d’amore-Concerto d-Moll RV 393 an den Tag legt. Das geht so weit, dass der Solopart der eigenwilligen Vivaldi-Lektüre stellenweise klanglich überhaupt nicht mit dem durchlaufenden Bassgerüst Vestermanns harmonisiert. Auf der herkömm­­lichen Viola überzeugt Knox viel eher, auch wenn sein Spiel gegenüber früheren Soloproduktionen etwas an Fas­zination eingebüßt hat: So rückt er anhand des eigenen, hochgradig polyphonen, aber in musikalischer Hinsicht doch etwas steif wirkenden Titels Fuga libre seine Fähigkeiten ins rechte Licht und kombiniert in den beiden Teilen von Kaija Saariahos Vent nocturne – ei­nem Werk, das er erst kürzlich im Rahmen einer DVD-Produktion bei Wergo veröffentlich hat – sein Instrument mit den Wirkungen der Live-Elektronik, wobei er die klangfarblich abgestufte Wiedergabe des Violaparts subtil an die Beschaffenheit der elektronisch generierten Klangräume anpasst.

Stefan Drees