Gál, Bernhard

same difference

Verlag/Label: Gromoga Records, gro 11001
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2011/03 , Seite 90

Musikalische Wertung: 3
Technische Wertung: 4
Repertoirewert: 3
Booklet: 3
Gesamtwertung: 3

Cage’sches Strukturdenken und ein ausgesprochen interkultureller Ansatz bestimmen die ästhetischen Geschicke dieser achten Solo-Produktion von Bernhard Gál, die besonders auf Asien abhebt. Es ist natürlich klar, dass das beim Wiener Klangkünstler fern exotistischer und koloristischer Oberflächlichkeiten geschieht. Man hat jedoch schon Aufregenderes in Sachen west-östlicher Dialoge gehört, auch wenn gelegentlich asiatisches Instrumentarium und digitale Soundscapes zusammenfinden.
Auch das im Booklet angekündigte Konzept eines «kontinuierlichen, homogenen Klang-Werks» lässt sich nur sehr bedingt nachvollziehen, ergeben die einzelnen Stücke aus völlig unterschiedlichen Zeiten und Kontexten doch einen recht unverbindlichen Mix, ein Eindruck, der durch die Verlinkung mit kurzen transitions nur verstärkt wird.
Das ätherische Xuan zhuan (2004/ 2009) beispielsweise basiert auf der elektronischen Bearbeitung von Klängen geriebener Gläser und gestrichener Becken, die fluoreszierende Klang­flächen produzieren, ganz dem Titel gemäß, im Sinne eines endlosen Rotierens (das in diesem Fall jedoch 15 Minuten währt). Eine vergleichbar kontemplative Statik zeigt die Raumkomposition uh-jeh-gal (2004), hier als Mitschnitt von den Wiener Festwochen mit Gál am Pult zu hören. Sie fußt auf Echtzeit-Interaktionen von chinesischer Mundorgel, Zither und Live-Elektronik, bewegt sich dabei in manchmal fast stratosphärischen Hö­hen und verbreitet viel gediegene Langeweile, auch wenn manchmal ironische Chinoiserien aufblitzen. Ein geradezu vollendetes Ennui strahlt auch Gáls e-musik für Akustikgitarre (2001) aus, dessen komplette Umstimmung auf den Ton e ein «Ein-Ton-Stück» mit kalkulierten kleinen Verschiebungen und Interferenzen provoziert, mit improvisatorischen Eingebungen à la Scelsi jedoch herzlich wenig zu tun hat.
Interkulturelle Beziehungen pflegen schon besetzungstechnisch auch vür fier (2003), das Trompete, Gitarre, Sheng, Guzheng (chinesische Zither) und Xun (chinesische Okarina) in einer Mischung aus Open Form und fixierten Partien mit durchwachsenem Erfolg ins Gespräch bringt, ebenso wie Of Sound and Time (2000) einem ganzen Ensemble original chinesischer Instrumente wenig Substanzielles abzugewinnen weiß. Dass der Kontext der Aufführung in Gestalt von Reaktionen des Publikums (Husten, Programmheft-Rascheln etc.) zum integralen Bestandteil der Komposition wird (mit im Auditorium versteckten Akteuren), ist auch nur ein alter Cage-Hut.
Viel konzentrierter erscheinen eigentlich die Stücke, bei denen Gál «zu Hause» bleibt: UTOO (2004) hat die akustischen Ingredienzien einer Berliner U-Bahn-Fahrt im Gepäck, die von acht Musikern eines Kammerensembles bemerkenswert unmerklich flankiert werden; fusion (2001) entpuppt sich als eine «very private sound performance», wo ein saunierender Klangkünstler die chinesische Bambus-Flöte Koudi bläst und zwischendurch den akustischen Explosionen von H²O auf heißem Stein frönt.
Dirk Wieschollek