Pelzel, Michael

Sempiternal Lock-In

Verlag/Label: Wergo WER 64152
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2015/05 , Seite 79

Musikalische Wertung: 5

Technische Wertung: 5

Booklet: 5

 
Michael Pelzel, einer von inzwischen mehr als eintausend ehemaligen Stipendiaten des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), ein Schweizer Komponist, hat neben seinem hauptberuflichen Komponistendasein auch als Organist und Musikpädagoge einen akzeptablen Stellenwert innerhalb der zeitgenössischen Musik gefunden. 
Dass Pelzel nicht nur nebenbei auf großen Orgeln als Interpret zu finden ist, ist seinen Werken anzuhören, in denen wichtige Aspekte des Orgel­spiels in seinen Kompositionen für Ensemble zu finden sind. Die auf der Grundlage seines DAAD-Stipendiums aufgenommene CD Sempiternal Lock-In – Pelzel war 2014/15 Gast des Berliner Künstlerprogramms – enthält vier Ensemble-Kompositionen, die vom Klangforum Wien, abwechselnd von Johannes Kalitzke, Sylvain Cambreling und Peter Hirsch geleitet, «wie aus einem Guss» interpretiert. 
Wie aus einem Guss zeigt sich Sempiternal Lock-In, in einem ewigen Verschluss beisammen gehalten. Es tun sich fantasiereich ausgebildete Möglichkeiten der Klangerzeugung auf, denen der gemeinsame Wille zugrunde liegt, das Flüchtige und Polyphone gleichermaßen für das Danach zu konservieren. Was nichts anderes heißt, als dass die waagerechten Wahrheiten mit den vertikalen Brüchen und Hindernissen konstruktiv miteinander korrespondieren. 
Bei ei­nem Aufenthalt in Südafrika im Jahr 2010 kam der Komponist Michael Pelzel mit der in Uganda heimischen Amadinda-Musik in Verbindung. Die Amadinda ist ein mit zwölf hölzernen Klangplatten ausgestattetes Holmxylofon, in temperierter Pentatonik gestimmt. Das Instrument erfordert drei Spieler mit je zwei Schlägeln und erreicht durch diese Konstellation eine üppige, mehrstimmige Musikalität. Pelzel nutzt das streng austarierte Klangvolumen für seine Zwecke, in dem er das Material, die einzelnen Stimmen und den Gestaltungsfreiraum der Musiker als Rahmen für ein weitschweifiges Klanggeschehen einsetzt. 
Sculture di suono ist der Erinnerung an den Komponisten Giacinto Scelsi gewidmet, der in den 1940er- Jahren auf der Heimorgel «Ondiola» äußerst radikal improvisierte und die Ergebnisse auf Tonband speicherte. Nachdem Pelzel diese Tonbänder ei­ner Analyse unterzogen hat­te, leitete er für seine Arbeit geeignete Form- und Klangcharakteristiken ab und paraphrasierte über Scelsis Originalsound mit den Mitteln ensemblespezifischer Darstellungssequenzen und dem Einsatz des Heckelphons, einem Holzblasinstrument mit doppeltem Rohrblatt und kugelförmigem Schallstück. 
Statisch streng gegliedert beginnt … along 101 …, das im Verlauf sei­ner Aufführung wunderschöne, vom Grundkurs abweichende Sequenzen aufzeigt und bewegt/bewegend interpretiert. Es ist ein immerwährendes Spiel der Bewegungen(en), ein von Ort zu Ort springen, manchmal ein Zurückkehren. Der Werktitel basiert auf dem «Highway 101», der an der Westküste der USA entlang durch die Bundesstaaten Kalifornien, Oregon und Washington führt. Die Mu­sik fußt überwiegend auf dem Prinzip der Bewegung und nicht auf dem des Unterwegsseins.
Klaus Hübner