Shadows in Paradise
Hitlers Exiles in Hollywood
Keine Heimkehr nach Berlin: Bilder aus der kalifornischen Emigration
Mit seiner Dokumentation Shadows in Paradise. Hitlers Exiles in Hollywood liefert der New Yorker Filmautor und Produzent Peter Rosen einen Beitrag zum Thema Exilforschung, der mit einer Menge von authentischem Material brilliert. In den schönen Randgebieten von Los Angeles, zwischen Hollywood und Santa Monica, tummelten sich in den dreißiger und vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts unfreiwillig die Größen der europäischen Musikszene. Neben Interpreten wie Anton Rubinstein, Jascha Heifetz und Gregor Piatigorsky waren es zahllose Komponisten: Igor Strawinsky, Erich Wolfgang Korngold, Arnold Schönberg, Ernst Kr?enek, Miklós Rózsa, Ernst Toch, Max Steiner, Hanns Eisler, Franz Waxman die Reihe ließe sich lange weiterführen. Viele bemühten sich bei den Filmstudios vergeblich um Arbeit. Dazu kam die Crème der deutschsprachigen Literatur mit Thomas Mann, Brecht, Döblin, Feuchtwanger und anderen. Sie alle hatte es als Verfolgte der Nazis in dieses «Fegefeuer unter Palmen» verschlagen, wo sie untätig zusehen mussten, wie 9000 Kilometer entfernt ihre entfesselten Volksgenossen ganz Europa in Stücke schlugen.
Die gezeigten Bilder haben großenteils Seltenheitswert. Was zum Beispiel sonst immer nur als hübsche Anekdote die Runde macht Schönberg habe mit Gershwin Tennis gespielt , bekommt man hier zu sehen. Die historischen Filmdokumente werden ergänzt durch Interviews mit Nachkommen und den wenigen noch lebenden Zeitzeugen. Das Freiburger ensemble recherche steuert Neuaufnahmen von damals entstandenen Kompositionen bei.
Inmitten der ewigen Blütenpracht am Rande des Pazifiks trafen Schicksale aufeinander, wie sie kein Literat je hätte erfinden können. Die einen konnten Fuß fassen und verfügten über Einkommen und Sozialprestige wie Lion Feuchtwanger, der sich eine luxuriöse Villa hoch über dem Pazifik leisten konnte, oder Thomas Mann, der selbstbewusst sagen konnte: «Where I am, there is Germany.» Andere, wie sein Bruder Heinrich Mann, verkümmerten in der fremden Umgebung. Schönberg, so erzählt seine Tochter Nuria, war als Komponist praktisch inexistent, doch die Leute, denen er sich vorstellte, begrüßten ihn mit Begeisterung: «Oh, Mr. Schönberg, ich weiß, wer sie sind! Sie sind der Vater von Ronnie Schönberg, der so gut Tennis spielt!» Auf die meisten dieser Emigranten traf Alfred Polgars Bonmot zu: «Der, dem es schlecht geht, lebt hier in entschieden bequemeren traurigen Verhältnissen als anderswo.»
Bei allen tragischen Aspekten spart der Film nicht mit komischen und absurden Details. In der Villa Feuchtwanger gab es wöchentliche, von Thomas Mann geleitete Diskussionsrunden, an denen Leute wie Brecht, Adorno und Werfel teilnahmen und die wie ein Ritual abliefen. Sie begannen immer mit einer Lesung Feuchtwangers aus eigenen Werken, es gab Wiener Apfelstrudel zu essen und Punkt elf Uhr war Schluss, weil Mann zu Bett gehen wollte. Brecht wird von Zeitzeugen als notorisch übelgelaunter Intellektueller beschrieben, «mit einem Gesichtsausdruck, als würde er am nächsten Tag ins KZ eingeliefert». Thomas Mann mit Hut prostet bei der Gartenparty mit Orangensaft in die Kamera.
Das Jahrzehnt der europäischen Emigration in Kalifornien wirkt in dieser dokumentarischen Rückblende wie ein kultureller Spuk das bizarre Nebenprodukt einer Amok laufenden Politik im fernen Europa. Mit Beginn der McCarthy-Ära 1947 ging alles so schnell zu Ende wie es begonnen hatte. Den ernüchternden Schlusspunkt des Films setzen die Bilder von den Hearings des «Ausschusses für unamerikanische Umtriebe» und Aufnahmen aus dem zerstörten Berlin, das nie mehr werden würde, was es einmal war. Auch die Emigranten waren nach ihrer Heimkehr andere geworden wenn sie denn überhaupt zurückkehrten.
Max Nyffeler