Deupree, Taylor

Shoals

Celempung, Gender, Saron, Bonang, E-Bow, Eventide Eclipse, Kyma

Verlag/Label: 12k, 12K1060
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2010/06 , Seite 90

Musikalische Wertung: 4
Technische Wertung: 4
Repertoirewert: 3
Booklet: 2
Gesamtwertung: 4

Als Taylor Deupree (*1971), in New York lebender Soundkünstler, Grafiker und Fotograf, die umfangreiche Sammlung javanesischer und baline­sischer Gamelan-Instrumente in der University of York (Großbritannien) entdeckte, nahm er sich die Freiheit, ein Projekt mit diesen Universitätsressourcen in völlig freier Entfaltung zu gestalten. Damals, im letzten Drittel des Jahres 2009, war Deupree nach York eingeladen worden, an einem «artist residency program» innerhalb des «New Aesthetics in Computer Music Research Project» teilzunehmen. Er hatte die Idee, dort etwas Eindeutiges zu finden, das er nicht in seinem eigenen Studio hätte verwirklichen können. In relativ seltener Eindeutigkeit betätigt Deupree sich als Minimalist, der den kleinsten gemeinsamen Nenner innerhalb der Computermusik, diese mikroskopisch kleinen, kaum fassbaren, gerade noch hörbaren Soundpartikel, als Ausgangsmaterial für einen Soundtrack außerhalb jeder Kategorie nutzt.
Auf seinem eigenen, 1997 ge­gründeten Label «12k» veröffentlicht Taylor Deupree drei Jahre nach dem
letzten Album Northern nun das Resultat seiner «indonesischen» Studien in York: Shoals – eine Sandbank im Flussbett, die besonders bei Ebbe über die Wasseroberfläche herausragt. Hauptaugenmerk legte er dabei nicht auf den traditionellen Klang der Gamelan-Instrumente («mit dem Hammer schlagen») Celempung (Zupfzither), Saron und Gender (Metallofone) sowie Bonang (Glockenspiel), sondern lotete deren Oberflächensound aus. Deupree verwandte die Ecken, Kanten, Unterseiten der Instrumente und nutzte ihre Fehler wie gebrochene oder zerrissene Saiten als Klangquellen. Gespielt mit einem elektronischen Geigenbogen oder einfach nur auf den Instrumenten geklopft, bilden sie die Basis für lange, meditativ inszenierte Soundgebilde. Im Studio entwickelte er anschließend mithilfe der Algorithmen aus dem Harmonizer Eventide Eclipse und des sehr flexiblen und leistungsfähigen Sounddesign-Programms Kyma die Strukturen für das fertige Produkt. Die Studiomikrofone zeichneten aber noch mehr auf, was Deupree als Soundschnipsel für seine Produktion nutzte: Sie speicherten den Live-Sound, den der Akteur selbst wäh­rend der Aufnahmen erzeugte.
Deupree ging mit den einzelnen Komponenten sehr vor- und umsichtig zu Werke. Zurückhaltend modulierte er die Tonhöhen, veränderte kaum die Lautstärke und rasierte dennoch durch radikale Zurückweisung des natürlichen Klangs der Instrumente die Wiedererkennungsmöglichkeiten ab. Dadurch näherte er sich konsequent einem Sound, wie er in – indonesischen? – Flussbetten möglich sein kann. Ein Schritt zurück in die Natur, der nur durch den dezenten Einsatz von Elektronik und Computerprogrammen mög­lich wurde.

Klaus Hübner