Hahn, Hilary / Hauschka

Silfra

Stillness | Bounce Bounce | Clock Winder | Adash | Godot | Krakow | North Atlantic | Draw a map | Ashes | Sink | Halo of Honey | Rift

Verlag/Label: Deutsche Grammophon 0289 479 0303 1 CD DDD GH
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2012/04 , Seite 82

Musikalische Wertung: 3
Technische Wertung: 5
Booklet: 4

Der in Düsseldorf lebende Pianist Volker Bertelmann alias Hauschka ist nicht nur ein origineller Komponist und Instrumentalist, sondern auch ein Romantiker. Seine Musik ist verlustbehaftet. Auf seinem Solo-Album Ferndorf verarbeitete er Eindrücke aus seiner Kindheit, die Sehnsucht an eine unwiederbringlich vergangene Zeit. Foreign Landscapes setzte sich mit dem Gefühl des Fernwehs auseinander, mit Erinnerungen an weit entfernte Orte, die der Musiker auf seinen zahlreichen Tourneen besucht hat.
Für die Arbeit an dem Album Silfra reiste er mit der berühmten Geigerin Hilary Hahn nach Island. Ein Werbefilm der Deutschen Grammophon illustriert diesen Ausflug mit prächtigen Landschaftsaufnahmen, romantischen Impressionen. Die Kamera blickt aufs Meer hinaus, hügelige Szenerien wech­seln sich mit Ausschnitten ab, in denen die Musiker bei ihrer Arbeit im Studio zu sehen sind. Auf der CD sind sie in sanften Sepiatönen abgelichtet.
Hauschka und Hahn improvisieren. Die Stargeigerin betritt damit musikalisches Neuland. Spontane klangliche Regungen sind in ihrem gewöhnlichen Konzertrepertoire zwischen Johann Sebastian Bach und Charles Ives nicht eingeplant. Das ist bei Volker Bertelmann anders. Improvisation ist ein wichtiges Element seiner Musik. Der Düsseldorfer präpariert sein Klavier. Installiert im Innenraum seines Instruments diverse Objekte. Radiergummies, Klebeband oder Pingpongbälle, die beim Spielen auf- und abspringen und deswegen immer neue Geräuschvariationen hervorrufen. Das konventionelle Tonreservoir des Klaviers wird mit neuen Klängen erweitert, denen sich Hahn zu nähern versucht.
In einem Interview beschrieb sie diesen Prozess als sehr schwierig. Eine Eingewöhnungsphase sei durchaus von­nöten gewesen. Leider wird man manchmal den Eindruck nicht los, als ob beide Musiker mit diesem Problem zu kämpfen gehabt hätten. Trotzdem sind die insgesamt zwölf Improvisationen mit einer Gesamtlänge von über fünfzig Minuten sehr professionell inszeniert. Hahns Ton erklingt klar und deutlich. Die Geigerin arbeitet mit Liegetönen, kurzen Melodien und Pizzicato-Klängen, die von Bertelmanns Präparationen sinnvoll ergänzt werden. Am interessantesten klingt er, wenn er das Klavier zum Perkussionsinstrument umfunktioniert, wie zum Beispiel in dem zwölfminütigen Godot, das zu den stärksten Stücken des Albums gehört. Im Gegensatz zu den anderen Improvisationen hat man hier das Gefühl, als würden die Musiker tatsächlich Risiken eingehen, Dinge ausprobierten und sich selbst auf die Probe stellten. Im Vergleich offenbaren die restlichen Stü­-cke des Albums, selbst nach mehrmaligen Hören, keine Passagen, die hängenbleiben. Das liegt nicht an der Unzugänglichkeit der Musik – Hauschka und Hahn operieren weitgehend in tonalen Territorien –, sondern an ihrer Gefälligkeit: ein Sound so süß wie Zuckerwatte, dem eine Prise Salz und Pfeffer gut getan hätte.

Raphael Smarzoch