Goehr, Alexander

Since Brass, nor Stone … | … around Stravinsky | manere | Largo Siciliano

Verlag/Label: NMC D187
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2014/03 , Seite 85

Musikalische Wertung: 4
Technische Wertung: 4
Booklet: 3

Was die Komposition Since Brass, nor Stone mit Shakespeares gleichnamiger Sonate zu tun haben soll, lässt sich nicht eindeutig sagen. Fakt ist allerdings, dass der 1932 geborene britische Komponist Alexander Goehr ein Faible für die Künste der Vergangenheit besitzt. Dazu zählen nicht nur Malerei und Poesie, sondern natürlich auch die Musik. In seinen Stücken tauchen immer wieder Referenzen an die Sounds der Renaissance, des Barock oder der Moderne auf. Womöglich ein Einfluss seines Vaters, Walter Goehr, der bei Arnold Schönberg studierte und anschließend als Dirigent seinen Lebens­unterhalt verdiente. Zu seinem Repertoire zählte Musik von Claudio Monteverdi, Modest Mussorgsky und Olivier Messiaen.
Letzterer war Lehrer des jungen Goehr und inspirierte ihn zu der Komposition Largo Siciliano, einem zwanzigminütigen Epos für Horn, Violine und Klavier, das auf einem Zitat aus Messiaens Mode de valeurs et d’intensités basiert. Strenge Zwölftonstrukturen werden mit der Lieblichkeit und melodischen Süße des barocken Siciliano amalgamiert. Eine schöne Verbindung, die von den Instrumentalisten überzeugend realisiert wird. Überhaupt kann man die Arbeit der Interpreten bei diesen Einspielungen nicht genug loben, gelingt es ihnen doch, Goehrs komplexe und dabei stets sinnliche und poetische Musik mit großer Leichtigkeit, Eloquenz und einem ausgesprochen feinen Gespür für wichtige Details zu interpretieren.
… around Stravinsky lässt bereits im Titel anklingen, auf welchen Komponist Goehr sich diesmal bezieht. Das Stück für Violine und Bläserquartett, bestehend aus Oboe, Klarinette und Fagott, versteht der Brite als Ergänzung zu Strawinskys Pastorale Lied ohne Worte. Eine unterhaltsame Komposition, die mit einem Solo für Violine beginnt, im nächsten Satz die Blasinstrumente vorstellt und schließlich die unterschiedlichen Klangquellen zusammenführt, und das so geschickt, dass sie manchmal kaum voneinander zu unterscheiden sind. Ein magischer Effekt.
Im Titelstück Since Brass, nor Stone komponiert Goehr für Streichquartett und Perkussion – eine seltsame Kombination. Besonders charmant ist das Glockenspiel, das sich in luftig-leichten Bewegungen über dichte Streicherverzahnungen legt. Steine, Gongs und diverse Klanghölzer vervollständigen das perkussive Repertoire, flirren in schnellen Bewegungen um die Saiteninstrumente, setzen rhythmische Knotenpunkte und verhelfen dem Streichquartett, seine melancholische Schwere in energische Melodien und impulsive Ausbrüche zu verwandeln, Momentaufnahmen, die von satten Klangfarben nur so strotzen. Ein musikalischer Expressionismus, kräftig und bestimmend.
Trotz ihrer historischen Bezüge und Zitate komponiert Goehr keine Musik, die in der Vergangenheit schwelgt. Es ist immer wieder zu spüren, dass sein kompositorisches Denken sich der Tradition durch die Moderne annähert. Eine künstlerische Approximation, die dem Komponisten zwar glückt, interessante Resultate hervorruft, seinem Sound allerdings den Zugang in die Klangwelt des 21. Jahrhunderts versperrt.

Raphael Smarzoch