Pintscher Matthias

Solo and Ensemble Works

Verlag/Label: NEOS 11302
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2015/03 , Seite 80

Musikalische Wertung: 2
Technische Wertung: 4
Booklet: 3


«Bis heute ist das Orchester mein Instrument geblieben», sagte Matthias Pintscher einmal. Schon insofern ist es bemerkenswert, wenn nun eine CD mit Solo-Kompositionen und Ensemblewerken vorliegt. Aus den Jahren 1997 bis 2006 stammen sechs Stücke, darunter on a clear day für Klavier Solo, Janusgesicht für Viola und Cello sowie zwei Vokalwerke in Form von A Twilight’s Song für Sopran und sieben Instrumente und Monumento V für acht Frauenstimmen, drei Celli und Ensemble.
«Das Singen ist doch der schönste Ausdruck der Musik, immer an den Atem gebunden.» Auch das sagte Pintscher. Sein Monumento V «atmet» tatsächlich. Es hat einen schönen Puls, auch eine gelungene Dramaturgie, indem Verdichtungen und Kulmi­nationspunkte hübsch gestaltet sind, indem das Spiel mit Informationsdichten funktioniert. Aber: Jene Subjektivität, die Pintscher oft für sich reklamiert, zeigt sich nicht. Aus tradierten Modellen kann Besonderes entstehen – da ist Pintscher im Recht mit seiner Avantgardekritik. Aber gerade das Markante fehlt – bös gesagt: Es ist Neue Musik von der Stange. Monumento V lässt Eigenständigkeit missen wie auch Überraschungsmomente, die mal komisch sein könnten, exaltiert, manieristisch oder auch einfach nur mal ein Bruch in der Logik.
Das oft erwähnte Problem durchzieht die ganze CD. Da wären die beiden Solo-Stücke on a clear day für Klavier und die Sieben Bagatellen mit Apotheose der Glasharmonika. Die Bagatellen ersticken an nicht wenigen Stellen an fragwürdiger Virtuosität; wenn es schon Miniaturen sind von im Schnitt etwa dreiminütiger Länge, darf man auch etwas mehr Dichte erwarten. Unverständlicher noch bleibt dieses on a clear day. Introspektiv im Ausdruck, ist es nicht mehr als ein nebulöses Kreisen um einen Ton. Morton Feldman kann aus wenig etwas machen, weil ihm eine Kompromisslosigkeit und Konsequenz ei­gen ist. Hier fehlt beides. Es bleibt beim Anschlagen und Ausklingen.
Letztlich «schmeckt» die CD ähnlich schal wie Pintschers Fortschrittskritik. Es geht längst nicht mehr um Avantgarde. Aber es sollte doch noch immer um Glaubwürdigkeit gehen oder um – am besten zeitgemäße – Kunst, die Fragen aufwirft. Nach dieser CD ist klar, dass es mit dem Genfer Ensemble Contrechamps oder mit der Sopranistin Sylvia Nopper und dem Bassklarinettisten Ernesto Molinari gute Interpreten gibt. Klar wird aber auch, dass der Erfolg des Komponisten nicht auf seiner Kammermusik beruhen muss.
Torsten Möller