Wallmann, H. Johannes

SOLO-UNIVERS 1-5

5 neue Konzerte für Solisten und Orchester

Verlag/Label: Deutschlandradio / edition integral art
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2011/04 , Seite 87

Musikalische Wertung: 4
Technische Wertung: 3
Repertoirewert: 3
Booklet: 3
Gesamtwertung: 3

Auf die ganzheitlich ausgerichtete «Suche nach Klang und nach neuer Harmonie» begibt sich Johannes Wallmann eigenem Bekunden gemäß in den fünf konzertanten Kompositionen dieser Produktion. Als «Variationen ein- und desselben Themas» gehorchen die Werke der Grundidee eines ständigen Wechselspiels zwischen Teil und Ganzem, die gleich zu Beginn geradezu idealtypisch hervortritt: Man hört eine leise Klangfläche, aus der nach einem Impuls ein Oboen­ton hervortritt, der klanglich sofort von Echoinstrumenten reflektiert wird und sich beim nächsten Erheben aus dem Kollektiv figurativ weiterentwickelt.
Wallmann nimmt sich hier wie in den übrigen Kompositionen viel Zeit, um die Konsequenzen aus der eingangs formulierten Situation zu ziehen. Daraus erwächst das größte Prob­lem des beinahe zweistündigen Werkzusammenhangs: dass nämlich ähnliche oder gar identische Elemente immer wieder benutzt werden, ähnliche melodische Strukturen sich durch alle Stücke ziehen und – für jedes Konzert in leichter Abwandlung – gelegentlich bis zum Überdruss von bedeutungsschweren melodischen Motiven wie etwa dem Aufschwung einer kleinen None Gebrauch machen. Der instrumentalen Gestik kommt aufgrund ihrer «sprechenden» Diktion zwar eine gewisse Prägnanz zu; doch führt ihrer Verwurzelung in bestimmten musiksprachlichen Gewohnheiten dazu, dass das Verhältnis zwischen konstruktiven Grundbedingungen und klanglicher Erscheinung und damit letzten Endes der Fortgang der Musik kaum Überraschungen birgt.
Die affektarme Grundstimmung der Musik mutet daher etwas befremdlich an und lässt die Frage aufkommen, ob sie tatsächlich jenem Ideal eines «Trainings der ästhetischen Wahrnehmung» dienen kann, das Wallmann im Booklet, angereichert durch einen ganzen Katalog von Begrifflichkeiten wie «Selbstorganisation», «dynamische Prozesse» oder «Zusammenschwingen unterschiedlicher Teile», anspricht. Problematisch bei der reflexiven Absicherung dieser Aufgabenstellung ist zudem der Umstand, dass der Komponist mit seinem dezidierten Bezug auf die «12 Tonhöhen des klassischen Tonraums der europäischen Musik» eine eurozentristische Perspektive einnimmt und anderes kulturelles Denken aus seinem ganzheitlichen Musikverständnis ausklammert.
Immerhin versteht er sein Handwerk, wodurch er sich positiv von jenen Kollegen unterscheidet, die ihre kompositorische Unzulänglichkeit hinter einer esoterischen Fassade verbergen. Ob Wallmanns Konzept funktioniert, ist allerdings schwierig zu beantworten. Denn anhand der Produktion lassen sich die im Booklet skizzierten Klangbewegungen nur unzureichend nachvollziehen. Daher ist – abgesehen von einigen Echowirkungen – die Räumlichkeit als vielleicht interessantester Aspekt der fünf Kompositionen über weite Strecken nur erahnbar. Um zu gewährleisten, dass sich der Hörer tatsächlich als Teil eines Ganzen im Raum empfinden kann, hätte es der technischen Möglichkeiten einer SACD bedurft; so allerdings bleibt die gewünschte Schärfung des Wahrnehmungsbewusstseins im häuslichen Wohnzimmer eher rudimentär.
Stefan Drees