Kaul, Matthias

Some Kind of Way Out of Here

Verlag/Label: NurNichtNur Berslton 133 09 30
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2015/02 , Seite 89

Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 5
Booklet: 5

Es existiert ein Weg, bereichert und erfüllt aus dem Klangkosmos des Matthias Kaul herauszukommen: Zuhören. Nachhören. Wiederhören. Der neue Tonträger some kind of way out of here des vielseitigen Komponisten und Instrumentalisten Kaul mit seinem Ensemble L’ART POUR L’ART und Gästen verweist explizit auf das Hö­ren in einer vom Bildhaften dominierten Wirklichkeit. Aus einer minimalistisch geprägten Instrumentalmusik entwickelt Kaul mit allem, was sich anschlagen lässt und einen Klang erzeugt, ein fein gegliedertes Spekt­rum auf- und abschwellender Sound­masse.
Als Komponist brachte er hier sechs Stücke auf den Weg, die er mit seinem Ensemble L’ART POUR L’ART in unterschiedlichsten Besetzungen interpretiert. Für das Nomos Quartett schrieb er den Titel There Must Be Some Kind Of Way Out Of Here. Dieses Textfragment aus dem Bob-Dylan-Klassiker All Along The Watchtower erinnert an Kauls Vergangenheit als Rock- und Jazzschlagzeuger, der sich immer wieder mit diesen Musiken beschäftigt und sie in seinen Kompositionen zitiert oder auf eigene Weise interpretiert. Inzwischen entwickelte sich Kaul zu «einem Hörsüchtigen». So jedenfalls bezeichnet ihn der Komponist und Musikwissenschaftler Gordon Kampe im CD-Booklet.
Opium für T., das den Tonträger einleitet, liefert einen fulminanten Querschnitt durch Kauls akustische Gedankenwelt. Ein aus präparierten Instrumenten gefilterter Singsang stützt sich ausdrücklich auf Ideen des Augenblicks und auf vorgefundenes Material (John Lennon besingt Yoko Ono). Die Reduktion der Instrumentierung auf Flöte (Astrid Schmeling), Gitarre (Ulf Mummert) und Percussion (Matthias Kaul) schafft erst die luftig-leichte Atmosphäre, die im Jazz mit der Vokabel «to swing» bezeichnet wird. Doch Achtung! Hier streckt Kaul seine Fühler nicht in die afro-amerikanische Musik aus, nein, hier ist er ganz bei sich und den Eigenschaften des Klangmaterials. Kauls Beschäftigung mit der Trivialität wird in den Arabesken deutlich, die einerseits ein orientalisches Rankenornament bezeichnen, bei Kaul zusätzlich auf den «arabischen Inhalt» dieser Komposition hinweisen. Denn die Weltsicht Karl Mays auf pseudoexotische Realitäten verarbeitet Kaul, in dem er Ute Wassermann die Namen von Mays Figuren in rasanter Geschwindigkeit rezitieren lässt.
Eine absolute Besonderheit ist das Cover, das der Künstler Wolfgang Kahle entworfen hat, dessen Gestaltung des CD-Projekts Haltbar gemacht des Ensemble L’ART POUR L’ART 2012 den ECHO-Klassik-Preis und den Jahrespreis der Deutschen Schallplattenkritik erhielt. Jede der im EP-Format gestalteten Hüllen ist ein mit thermochromatischer Farbe gemaltes Unikat. Es ist die erste CD-Verpackung, die man – mittels eines Föhns – verändern kann, denn das Bild verschwindet ab 30 Grad und wird erst bei Abkühlung auf Zimmertemperatur wieder sichtbar. Kaul: «Die Musik verändert sich ebenso bei verschiedenen Hörtemperaturen, was nur innerlich zu erleben ist.»
Klaus Hübner