Sonic.art Saxophonquartett performing Ligeti, Tüür, Katzer, Lévy, Neuwirth, Xenakis
Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 5
Repertoirewert: 4
Booklet: 3
Gesamtwertung: 4
Die klassische Literatur für Saxofonquartett ist schmal. Der Grund dafür ist so triftig wie schlicht. 1842 reiste der belgische Musikinstrumentenbauer Adolphe Sax mit dem Prototyp des Instruments im Gepäck nach Paris. Zwar waren Komponisten wie Jacques Fromental Halévy, Daniel-François-Esprit Auber oder Hector Berlioz Feuer und Flamme, vereint das Saxofon doch die Vorzüge von Blech- und Holzblasinstrumenten. So richtig Karriere gemacht hat das Saxofon allerdings erst im 20. Jahrhundert in Jazzformationen und bei experimentierfreudigen Komponisten der Avantgarde-Szene. Die Arbeit des «sonic.art Saxophonquartetts» (Ruth Velten, Sopransax; Alexander Doroshkevich, Altsax; Martin Posegga, Tenorsax; Annegret Schmiedl, Baritonsax) ist, wenn man so will, Teil und Abbild dieser Geschichte. Das Ensemble ist ohne Unterlass auf der Suche nach schreibwilligen Komponisten, nach unbekannten Kompositionen und nach solchen, die sich adäquat bearbeiten lassen.
Mit der vorliegenden CD, herausgegeben vom Deutschen Musikrat in Zusammenarbeit mit dem Deutschlandfunk, legt das Ensemble nicht nur ein beeindruckendes Zeugnis seiner instrumentalen und musikalischen Fertigkeiten vor, es bietet einen sorgfältig ausgewählten Querschnitt von Werken aus der Feder einiger Ikonen des 20. Jahrhunderts und von Komponisten der jüngeren Generation. Am Beginn stehen die «Six Bagatelles» für Klavier Musica ricercata (1951-53) von György Ligeti, mit dessen Erlaubnis von Guillaume Bourgogne für Saxofonquartett (1997) eingerichtet. Die Stücke in ihrer extrem nervös aufgeladenen Motorik und vertrackten Rhythmik nach eigenen Auskünften bezog sich Ligeti auf die Komponisten, die pianistisch dachten: Scarlatti, Chopin, Schumann, Debussy werden von «sonic.art» akribisch auf ihre Klangfarbigkeit hin untersucht ein Parameter, der in der Originalfassung nur von den Besten der Klavierzunft dargestellt werden kann.
Dass in der Folge Erkki-Sven Tüürs Lamentatio (1994), Georg Katzers Wie ein Hauch
doch manchmal (1993) und Fabien Lévys Durch (1998) zu hören sind, ist dramaturgisch wohl kalkuliert. In jedem dieser Werke wird auf je eigene Art die Wechselwirkung von Klangraum und Klangfarbe abgetastet. Formal gesehen geht Lévy den scheinbar extremsten Weg. Immer dann, wenn seine Musik sich zu formen scheint, sprengt er wieder einzelne Elemente aus dem Verlauf heraus, exponiert sie, um sie dann wieder in einen Form generierenden Verlauf zu zwingen.
Mit diesem Verfahren bewegt er sich nahe heran an die Xenakis-Komposition, die den Titel XAS trägt, der eine Umkehrung des Worts «Sax» ist und Namenskürzel des Komponisten zugleich. Und doch ist die Komposition Xenakis in ihrer kühl berechneten Struktur, in der Dichte der Textur, ihren akribisch konstruierten Klangfarben diejenige, welche die Quartettformation auf das Höchste fordert. Dass das sonic.art Saxophonquartett keine Wünsche offen lässt, macht diese auch dramaturgisch so geschickt angelegte CD zu einer Entdeckung.
Annette Eckerle