Pintscher, Matthias

sonic eclipse / a twilight’s song / she-cholat ahavah ani

Verlag/Label: Kairos, 00135162KAI
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2011/05 , Seite 83

Musikalische Wertung: 3
Technische Wertung: 5
Repertoirewert: 2
Booklet: 5
Gesamtwertung: 3

Die spotzenden Explosivlaute der Trompete, mit denen sonic eclipse kaum hörbar grundiert anhebt, klingen durchaus reizvoll. Auch überzeugt der Gedanke, diese mit dem so anders tönenden benachbarten Horn zu kontrastieren und auch dieses obertonarme Instrument, das über weite Passagen der Musikgeschichte als Waldhorn Klischee bleibt, in seinem ganzen Spektrum vom tiefen Grummeln bis zum raschen Lauf zu erkunden. Doch das Pulver ist schnell verschossen. Die dynamischen Sprün­ge, die gepressten Attacken, die Dissonanzen, Sekundreibungen, extremen Intervalle, Cluster, Geräusche: all dies klingt viel zu sehr nach der Rhetorik einer neuen Musik, die sich seit gut fünfzig Jahren auf dem allein selig machenden Weg wähnt, den Reiz des Neuen aber längst eingebüßt hat.
Da hilft es auch nicht, sich an die freie Lyrik eines E. E. Cummings anzuhängen oder gar an das Hohelied Salomos in Originalsprache, von der Pintscher meint, sie sei «sehr einfach, hochpoetisch und extrem angereichert mit Energie, Schönheit, Form». Angereichert ist der Text nicht mit Energie, sondern mit einer zweieinhalbtausendjährigen Deutungsgeschichte, welche die Komposition schlichtweg nicht zum Vorschein bringen kann.
Dietrich Heißenbüttel