Spiegelungen

Werke von Bernhard Lang, Gerald Eckert, Clemens Gadenstätter, Gordon Kampe, Klaus Lang, Beat Furrer und Georg Friedrich Haas

Verlag/Label: edition zeitklang ez-44046
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2012/02 , Seite 80

Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 5
Booklet: 4

Im Grunde sind in Sachen Flötentechnik alle Materialschlachten geschlagen. Es hieße also Binsenweisheiten verbreiten, würde man betonen, dass das klangliche Spektrum der Flöte in der Moderne oszilliert zwischen den Koordinaten Atem, Geräusch und Gesang. Beatrix Wagner weiß das nur zu gut. Klassisch ausgebildet, mit einschlägiger Erfahrung als Solistin in Orchestern und Kammermusikensembles, unter anderem in ihrem 2001 gegründeten «ensemble reflexion K», hat sie den Klangbestand der Flöte in seinem Kern ebenso studiert wie auch daran mit gearbeitet, diesen an den Rändern noch irgend möglich zu erweitern.
Insofern ist die vorliegende CD mit dem Titel «Spiegelungen» zunächst einmal eine eindrucksvolle Retrospektive auf die künstlerische Entwicklung der Flötistin. Darüber hinaus, mit Blick auf das ausgedehnte Interessenspektrum von Beatrix Wagner – Literatur, Poesie und Malerei liegen ihr nicht minder am Herzen –, ist diese CD auch Spiegelung kompositorischer Handschriften, welche geprägt von dem Kulturraum der Alpenregion die Gegenwartsmusik entscheidend mit prägen helfen. Was diese Komponisten und ihre Musiken trotz ihrer personalstilistischen Eigenarten im tiefsten Innern vereint, ist das intensive Erforschen und Transferieren sprachlicher Strukturen auf die musikalische Ebene, sei es mit oder ohne Verwendung eines Textes.
Dass Bernhard Langs «Schrift 1.2» (1998) für Flöte solo am Beginn steht und Georg Friedrich Haas’ «Finale» (2004) am Ende, ist kein Zufall. Langs Musik umkreist in mikroskopischen Bewegungen, von denen eine jede Impuls für die nächste ist, das Material. Haas jagt die Interpretin durch einen un­glaub­lichen Parcours extremer Intervallkonstellationen, verlangt, dass in kürzester Zeit Bewegungsrichtung und Klangcharaktere gewechselt werden bei gleichzeitig höchster Präzision in der Gestaltung von mikrotonal organisierten Brückenelementen.
Das sind die Pole, zwischen denen sich die Kompositionen von Gerald Eckert, Clemens Gadenstätter, Gordon Kampe, Klaus Lang und Beat Furrer bewegen. Eckert spielt ein intrikates Spiel mit dem Begriff der Klang-Grenze, als Gedan­kengeländer das Gedicht «Physikalische Optik V» von Raoul Schrott nutzend. Gadenstätter unternimmt den Versuch einer neuen Geräusch-Grammatik für Flöte. Kampe zwingt mit seinen extremen dynamischen Vorgaben die Flöte an ihre physische Grenze und erzielt so Tonqualitäten, die man mit diesem Instrument gemeinhin nicht assoziieren würde. Mit hintersinnigem, fast lustvoll perfidem Witz collagiert Kampe zur Ausgestaltung des kaum glaubhaften Titels «heavy metal» für Flöte und Zu­spielungen Fragmente aus Schönbergs «Mon­des­trunken» (Pierrot lunaire), aus Mozarts berühmt-berüchtigten Bäsle-Briefen, aus Falcos «Rock me Amadeus» und «Ganz Wien». Klaus Lang und Beat Furrer stehen schließlich für das dekonstruktiv-konstruktivistische Komponieren, für das Spiegeln und Transzendieren sprachlicher Prozesse ins absolut Musikalische. Eine CD, die dramaturgisch klug, modernen Klangsprachen den Spiegel vorhält.

Annette Eckerle