Büchter-Römer, Ute

Spitzenkarrieren von Frauen in der Musik

Verlag/Label: Edition Top Music by Ricordi, München 2011
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2011/05 , Seite 86

Auf dem Wiener Naschmarkt, so schreibt Ute Büchter-Römer, sei im Gespräch mit Doris Carstensen (Vizerektorin der Universität für Musik und Darstellende Kunst Graz) die Idee zur vorliegenden Publikation entstanden. Was die beiden Damen mitten im kulinarischen Trubel bewegte, war die Frage, ob weiblichen Spitzenkarrieren in der Musik eine Strategie zugrunde liege. Auf der Suche nach einem systematischen Ansatz zur Klärung der komplexen Fragestellung jenseits der lockeren Fachsimpelei hat Ute Büchter-Römer indes nicht lange gefackelt. In einem Prolog skizziert sie zwei verschiedene Szenerien. In der ersten wird der Auftritt einer elfjährigen Gitarrensolistin, Pianistin und Sängerin beschrieben und die Frage aufgeworfen, ob auf diesen Erfolg auch der internationale Erfolg im Erwachsenenalter zwangsläufig folgen müsse. In Szene zwei geht die Autorin auf reale Personen des Konzertbetriebs ein: zum einen auf die Geigerin Anne-Sophie Mutter, zum anderen auf die Komponistin Sofia Gubaidulina. Für beide Künstlerinnen stellt die Autorin stellvertretend die Frage, ob sie es denn wohl ahnen konnten, solchen Karrieren zu machen. Als Basis ihres Erklärungsversuchs wählt Ute Büchter-Römer die Reflexion über den «Hunger nach Erfolg». Man ahnt, dass es so schlicht nicht sein kann.

Dem zweiten Kapitel, überschrieben mit «Reflexion», unterteilt in die Abschnitte «Begabung», «Sozialisation», «Motivation», «Hirnforschung», «Methode» und «Wahl der Interviewpartnerinnen», stellt Büchter-Römer vier Thesen voran, die zum Teil Binsenweisheiten sind, wie die Tatsache, dass musikalische Hochbegabung sich aus mehreren Faktoren zusammensetzt, zu der neben der Sozialisation wesentlich die persönliche Disposition beiträgt. Um nun den Begriff der Hochbegabung wissenschaftlich abzusichern, führt Büchter-Rö­mer die These ein, wesentlich sei die genetische Ausstattung, die wiederum in wechselseitiger Beeinflussung mit «Umwelterfahrungen» stünde. Sie versucht den Beweis zu liefern, indem sie selektiv, will heißen passend zu ihren Grundannahmen abschnittsweise aus der Musikpsychologie von Helga de la Motte-Haber und aus Ellen Win­ners Untersuchung Hochbegabt – Mythen und Realitäten von außergewöhnlichen Kindern zitiert.
Ähnlich verfährt die Autorin, wenn sie andere Autoren im Bereich der allgemeinen Kognitionswissenschaft heranzieht. Auf wenigen Seiten werden sehr oberflächlich die Erkenntnisse der Hirnforschung und der Genderforschung gestreift. Der sehr kursorisch skizzierten Forschungslandschaft folgt eine Reihe von Porträts, entstanden auf der Basis von Gesprächen, die Büchter-Römer geführt hat, sowie einige Selbst- bzw. Autorendarstellungen von Künstlerinnen. Die Quintessenz der trocken zusammengefassten, bisweilen mit anekdotischer Garnierung versehenen Gespräche mit Künstlerinnen wie Sofia Gubaidulina, Adriana Hölszky, Christiane Oelze, Edita Gruberova oder Anna Netrebko: Man muss sich die Damen gesegnet mit viel Talent und motiviert von äußerster Willenskraft vorstellen. Dem ist nichts hinzuzufügen. Doch das ist weder neu noch für weibliche Spitzenkarrieren in der Musik spezifisch und in dieser Publikation, vorsichtig formuliert, auf eher populärwissenschaftlichem Niveau dargestellt.
Annette Eckerle