Gander, Bernhard

Take Death

Verlag/Label: LP, God Records 25
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2015/02 , Seite 89

Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 5
Booklet: –

Wer immer nur den Blick auf die angebliche Allgegenwart der Digitalisierung richtet, kann leicht übersehen, dass es mittlerweile beträchtliche und mitunter ausgesprochen kreative Gegentendenzen gibt. Nicht nur die jüngst veröffentlichte Ausgabe der Beatles-LPs im Mono-Format, sondern auch Bernhard Ganders lediglich auf Vinyl greifbare Komposition Take Death sind Lehrstücke dafür, dass das Leben auch außerhalb des digitalen Kosmos weitergeht.
Fragt man nach der Ursache für Ganders Weigerung, sein Werk auf CD erscheinen zu lassen, findet man sie – jenseits der phänomenalen und dem Klangbild einer CD weit überlegenen klanglichen Präsenz des hier festgehaltenen Uraufführungsmitschnitts – sicherlich im sinnlich erfahrbaren Aspekt der Verpackung: Denn Cover Concept und Artwork der aufklappbaren LP-Hülle stammen von Joachim Lütke, der seinerseits für die Gestaltung von Veröffentlichungen der Metal-Bands «Kreator» oder «Dimmu Borgir» bekannt ist. Was man hier sieht, ist so beredt, dass es – abgesehen von dem Satz «7 Must Die!» auf der Innenseite – keines weiteren Kommentars mehr bedarf, um die Hörerfahrung von Ganders Stück zu kanalisieren. Wer über diese Andeutung von Rache und Tod nach weiteren Informationen sucht, findet sie auf der Website des Komponisten in der kurzen Bemerkung «… die Jung­frau, die in Stravinskys Le Sacre geop­fert wurde, kehrt auf die Erde zurück, um sich an den Tätern zu rächen …».
2013 für zwanzigköpfiges Ensemble und DJ komponiert, lässt sich Take Death daher als gedankliche und in geringerem Maße auch kompositorische Bezugnahme auf Strawinskys Ballett verstehen. Dies teilt sich in der oft archaischen Wucht der Musik mit, hat aber auch in der Spieldauer von etwas mehr als 30 Minuten und in der Zweiteiligkeit des Werks seine Spuren hinterlassen. Vor allem aber besinnt sich Gander auf die gestischen Momente von Strawinskys Sacre und transformiert sie – daran erinnernd, dass es sich dabei originär um ein Werk zum Tanzen handelt – in eine Musik, deren Klang und Setting die Kultur heutiger elektronischer Tanzmusik reflektiert. Die Vorliebe für energiegeladene Rhythmusverläufe führt den Komponisten dabei oft in die tiefsten Registerlagen, wo er schartige Klangverläufe von Bass- oder Kontrabassklarinette, Kontrafagott und Klavier als Motor für den Vorwärtsdrang der Musik sowie als Grundlage für die daraus hervorwachsende Arbeit mit unterschiedlichen Dichtezuständen und Überlagerungsformen nutzt.
Das Ensemble Modern formt die aggressiven und bisweilen auch brachialen Klänge unter Leitung Frank Ollus mit viel Kraft und erstaunlicher Vielfalt und schafft damit eine eigenartige Soundwelt, von der sich Detlev Pulsingers DJ-Interventionen noch einmal als eigenständige Schicht abheben – zumal der tiefe, harte, weiche oder klanglich zerbröselnde Techno-Sound aufgrund des fehlenden Bezugs auf gesampelte Instrumentalklänge nochmals an klanglicher Plastizität und Prägnanz gegenüber dem Ensemble gewinnt.
Stefan Drees