Adès, Thomas

Tevot / Violin Concerto / Three Studies from Couperin / Dances from Powder Her Face

Verlag/Label: EMI 50999 4 57813 2 2
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2010/04 , Seite 86

Musikalische Wertung: 3
Technische Wertung: 3
Repertoirewert: 4
Booklet: 2
Gesamtwertung: 3

Erfreulich an dieser Produktion ist ihr Fokus auf vier jüngeren Werke des Briten Thomas Adès; weniger schön ist dagegen, dass sich die Qualitäten der Musik in den Live-Einspielungen nicht immer adäquat mitteilen. Zunächst lassen die Berliner Philharmoniker unter Leitung von Simon Rattle bei ihrer Wiedergabe des Orchesterstücks Tevot (2007) die notwendige Präzision vermissen: Das atmosphärische Auseinanderklaffen zweier konträrer Klangschichten zu Beginn wirkt unsicher und gerät im weiteren Verlauf trotz einiger markanter Passagen und der gut getroffenen lyrischen Schlussphase in rhythmischer Hinsicht eher diffus. Weitere Defizite resultieren aus der Aufnahmetechnik, die kaum nachvollziehbar macht, wie kunstvoll Adès unterschiedliche räum­liche Verhältnisse zwischen den Instrumentengruppen aufbaut, mitein­ander vermittelt und in einen langen Spannungsbogen einbettet.
Weitaus geschlossener wirken dem­gegenüber die nachfolgenden Wer­ke mit dem Chamber Orchestra of Europe unter Leitung des Komponisten: Im Violinkonzert Concentric Paths (2005) begeistert die Interpretation von Anthony Marwood aufgrund ihrer klanglichen Geschlossenheit und einer schon fast dämonischen Färbung in den Rahmensätzen, während im Mittelsatz eine teils kantable und tonlich warme, teils aber auch ins Scharfe oder Gedämpfte abschattierte Farbgebung dominiert. Auch hier vermisst man allerdings die Dimension klanglicher Tiefe, die in Bezug auf eine plastischere Darstellung der variablen Verflechtungen von Orchesterstimmen und Solopart von Vorteil gewesen wäre.
Ganz andere Töne schlägt Adès in den leichtfüßigen Three Studies from Couperin (2006) an, einer erfindungsreichen Relektüre dreier Cembalostücke des französischen Barockmeisters: Zart ist der Umgang mit dem Orchester, das die originale Werksubstanz wie mit einem raffiniert gewobenen instrumentalen Schleier verdeckt; einfallsreich befragt der Brite die Musik, indem er die klangfarblichen oder spieltechnischen Möglichkeiten der Instrumente nutzt und sie der Musik als eine Art subthematische Ebene hin­zufügt, dabei die Affektsprache des 17. Jahrhunderts geschickt in unsere Zeit transformierend. Etwas schwächer fallen wiederum die drei Instrumentalstücke Ouverture, Waltz and Finale aus der Oper Powder Her Face (2007) mit dem National Youth Orchestra of Great Britain unter Paul Daniel aus: Konsequent ist hier das pointierte Spiel mit verschiedenen stilistischen Ebenen und deren Brechungen realisiert und zu einer launigen Musik mit doppeltem Boden geformt. Dass die technischen Anforderungen für die jungen Musikerinnen und Musiker recht hoch sind, lässt sich der nicht immer idealen, aber dennoch mitreißenden Einspielung entnehmen. So bleibt am Ende das Gefühl, eine abwechslungsreich zusammengestellte Porträt-CD in Händen zu haben, die aber gelegentlich den Wunsch nach weniger heterogenen Interpretationen und besserem Klang aufkommen lässt.

Stefan Drees