Kacirek, Sven

The Kenya Sessions

Verlag/Label: Pingipung 02 (Kompakt Distribution)
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2011/03 , Seite 88

Musikalische Wertung: 4
Technische Wertung: 3
Repertoirewert: 4
Booklet: 4
Gesamtwertung: 4

Rar sind immer noch die Beispiele eines interkulturellen Miteinanders, eines weltumspannenden Musizierens. Selten gelingt europäischen Musikern eine tiefe Annäherung an die traditionelle Musik Afrikas – und noch seltener gelingt das multikulturelle Crossover.
Ein Album, das nach nur wenigen Sekunden für sich einnimmt, ist hingegen das neue Werk des Hamburger Musikers Sven Kacirek, der The Kenya Sessions mit kenianischen Musikern während einer vom Goethe-
Institut finanzierten Reise aufgenommen hat. Kacirek ist ausgebildeter Schlagzeuger und Perkussionist: Er nähert sich dem musikalisch Fremden in erster Linie über die Rhythmik. Wir hören traditionelle, vor Ort aufgenommene Rhythmusinstrumente, die sich nach und nach mit den Studio-Klängen Kacireks verbinden. Es geht ein Sog von diesen oft minimalen Kompositionen aus, ein meditativer Reiz, eine Spannung, die in der langsamen, allmählichen Veränderung liegt.
Live in Kenia aufgenommene traditionelle Instrumente und Gesang mischt der 1975 geborene Hamburger mit zeitgenössischer Elektronik – und man wundert sich zuerst ein wenig, wie vollendet, wie scheinbar einfach das zusammengeht. Doch das Schöne ist: Man wundert sich nicht lange, sondern beginnt schnell zu genießen. Kacireks Instrumente sind Schlagzeug, Marimba, doch eigentlich macht der Hamburger aus jedem Geräusch Musik, schlägt mit seinem Jazzbesen oder der Hand auf Papier, Glas oder Holz. So entsteht Musik, die im Prozess der digitalen Bearbeitung immer neue Wendungen erfährt. Ein Sound, der warm ist, sehr suggestiv, assoziativ. Ein Klang, der fesselt, ein rhythmisches Kreisen, dem man folgen will.
Neben Sven Kacirek sind auf dem Album unter anderem die Sängerin Ogoya Nengo zu hören, der Multi-Instrumentalist Raymond Mackenzie, die Orchester von Jack Nyadundo, Ali Khamed und Swaleh Mwatela sowie die Nyatiti-Spieler Okuma Korenga und Owino Koyo – alles in allem eine Musik-Collage, die sich ganz nah ans Herz des Hörers spielt, weil sie ein untrennbares Miteinander aus Eigenem und Fremdem formt. Denn tatsächlich ist am Ende kaum mehr aufzulösen, welche Teile dieser Musik in Kenia aufgenommen wurden – und welche in Hamburg im Studio entstanden sind. Und das ist die Größe dieser in vielen Momenten melancholischen, repetitiven Musik: Sie ist wie ein Fluss, der Kulturen zusammenbringt, der die Grenzen des Analogen und Digitalen, des Akustischen und Elektronischen überwindet, ein Fluss, der Welten miteinander verbindet und ihre verschiedenen Musikkulturen in wirklich neuen Farben schimmern lässt. Auf seiner Reise wurde Kacirek von der Medien-Designerin Agnieszka Krzeminska, begleitet, die die Live- und Feldaufnahmen im Web­log www.barabara.fm dokumentiert hat.
Marc Peschke