Nordheim, Arne

The Nordheim Tapes

Electronic Music from the 1960s

Verlag/Label: 2 CDs, Aurora ACD 5051 2 CD
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2010/03 , Seite 82

Musikalische Wertung: 4
Technische Wertung: 5
Repertoirewert:4
Booklet: 3
Gesamtwertung: 4


Unter «Sound Effects» abgestellt im Archiv des norwegischen Rundfunks, sind die frühen elektronischen Werke des Komponisten Arne Nordheim erst kürzlich wieder zum Vorschein gekommen: Dass es zu Beginn der 1960er Jahre überhaupt schon elektronische Musik in Norwegen gab, war in Vergessenheit geraten. Nun veröffentlicht der Komponist Risto Holopainen dieses Material auf einer Doppel-CD, eingepackt in ein Cover, das der Op-Art der damaligen Zeit alle Ehre macht.
Nordheim ist unter anderem für seine später im Studio des polnischen Rundfunks entstandenen elektronischen Werke bekannt geworden. Die nun veröffentlichten frühen Arbeiten tragen zwar alle Anzeichen seiner kompositorischen Handschrift, sind jedoch ursprünglich gar nicht als autonome Kompositionen erschienen, sondern als Soundtrack zu Hörspielen. Dies lässt für die Edition auf CD mehrere Optionen offen. Holopainen rekomponiert das Material auf der ersten CD zu vier längeren Collagen, die zunächst alle Erwartungen an einen wiederentdeckten Meister der frühen elektronischen Musik zu bestätigen scheinen. Dann aber ertönt, in krassem Gegensatz zur Ästhetik der Darmstädter Schule, im vierten Stück, nach einem repetierten Cembaloakkord und umgeben vom munteren Gezwitscher der Sinuswellen, plötzlich ein Spieluhrmotiv in Dur.
Diese scheinbare Kehrtwendung erklärt sich, wenn man mit der eigentlich interessanteren zweiten CD anfängt. Sie enthält zumeist kurze, zwei- bis dreiminütige musikalische Exzerpte aus verschiedenen Hörspielen, die jedoch durchaus für sich stehen können. Ein erzählerischer Zug kommt auch ohne den ursprünglichen Kontext sehr gut zur Geltung. Wie die Mu­sik dagegen ursprünglich in einen gesprochenen Text eingebettet erklang, illustriert ein kurzer Ausschnitt aus dem Hörstück Mandagsbilen. Die frühesten Werke sind keineswegs rein elektronisch, vielmehr verbinden sich Sinus­töne erstaunlich leicht mit Querflöte, Harfe, Vibrafon, Holzblöcken, Orgel oder menschlicher Stimme. Dies liegt einerseits daran, dass Nordheim nicht etwa Violinen, sondern eher obertonarme Instrumente verwendet, andererseits aber auch an einer reduzierten, sehr transparenten Kompositionstech­nik. Nordheim verschießt keinesfalls, wie so mancher Elektroniker dieser Zeit, sein ganzes Pulver auf einmal. In Hamlet ertönt eine Trompete. Hjemkomsten, das erste rein elektronische Werk, besteht ausschließlich aus einem glissandierend verbundenen fünftö­nigen Motiv, sukzessive auf verschiedene Tonstufen transponiert. Das Ergebnis klingt gleichzeitig neu – der Tonvorrat ist nicht auf die diatonische oder chromatische Skala begrenzt – und doch fast wie eine herkömmliche Etüde. Es ermüdet nicht, sondern weckt Neugier auf mehr.

Dietrich Heißenbüttel