Doderer, Johanna

The Piano Trios

Verlag/Label: Capriccio C5220
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2015/02 , Seite 84

Musikalische Wertung: 4
Technische Wertung: 4
Booklet: 3

Jenseits des Mainstreams angesiedelte zeitgenössische Musik hat es schwer, in der Szene gehört zu werden, weil sie sich allzu selbstbewusst über die gerade als aktuell geltenden Stilmerkmale hinwegsetzt. Dies dürfte auch auf die vier zwischen 2002 und 2013 entstandenen Klaviertrios der Österreicherin Johanna Doderer (*1969) zutreffen, deren Tonfall einen stark ausgeprägten Personalstil erkennen lassen.
Versucht man indes, den Kennzeichen dieses Stils auf die Schliche zu kommen, entgleiten einem die Beschreibungskategorien: Zunächst ein­mal scheinen die Gesetzmäßigkeiten einer erweiterten tonalen Harmonik zu regieren, ohne dass man jedoch exakt feststellen könnte, wie sie genau funktionieren und wann sie ausgehebelt sind. Dies wiederum hängt mit anderen Eigentümlichkeiten des Komponierten zusammen: Beispielsweise arbeitet Doderer über weite Strecken hinweg stark rhythmus­betont, baut ganze Formteile unter Rückgriff auf Loops oder durch Fortspinnung und Überlagerung repetitiver melodischer Strukturen auf oder folgt einer gelegentlich bis ins Perkussive hinein getriebenen Rhyth­misierung der Instrumentalparts. Entsprechende, gelegentlich gar – wie im Joseph Haydn gewidmeten Trio Nr. 2 – auf subtile Art humoristisch wirkende Abläufe stecken freilich immer wieder voller Irregularitäten, so dass die genaue Weiterführung des gerade Erklingenden für den Hörer  unvorhersagbar bleibt. Darüber hinaus gibt die Komponistin auch der Kantilene viel Raum, indem sie, etwa im ersten Teil des Trios Nr. 3, Augenblicke und Zonen der Ruhe schafft, in denen die Bewegung stehen bleibt und die Musik sich ganz auf den Gesang und die oftmals einfache, schnör­kellose Melodie konzentriert.
Die hier versammelten Werke sind zudem ein Beleg dafür, wie gut die Komponistin die  instrumentatorischen Möglichkeiten der Gattung Klaviertrio für ihre Zwecke einzusetzen versteht. Welchen Klangsinn sie dabei entfaltet, lässt sich beispielsweise an jenen passacaglia-ähnlichen Klangaufbauten erkennen, die Doderer im ersten und im letzten Abschnitt ihres Trios Nr. 1 auf der Grundlage eines Pendelns zwi­schen zwei einfachen Akkorden von Schubert’scher Klarheit entfaltet und als Rahmen für das übrige, davon stark abweichende musikalische Geschehen benutzt.
Das Vilos Trio macht seine Sache gut und zielt auf eine schlüssige Gesamtdarstellung der Werke mit ihren oftmals überraschenden Stimmungswechseln, Abbrüchen, Neuorientierungen und  Klangschärfungen. Kleinere Details hingegen, etwa die dynamische Binnendifferenzierung, das Timing von Glissandobewegungen, die Präzision der Streicher beim Vortrag gleichzeitig endender Tondauern oder die Beachtung intonatorische Feinheiten, könnten gelegentlich noch etwas mehr Aufmerksamkeit verdienen – dies umso mehr, als sich Doderers Musik als sehr empfindlich und extrem durchhörbar erweist, wodurch Unvollkommenheiten sofort auffallen. Dennoch lohnt sich hier das genaue Zuhören: Man wird Zeuge der sehr lustvollen Wiedergabe eines kraftvollen und in seiner Haltung durchaus widerständigen künstlerischen Outputs.
Stefan Drees