Polscher, Mark

The Pomegranate Tree

Rekomponierte Version der 64-Kanal-Soundinstallation im Münchener Ägyptischen Museum

Verlag/Label: marc aurel edition MA 20045
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2014/03 , Seite 89

Musikalische Wertung: 3
Technische Wertung: 5
Booklet: 4

Ein ungewöhnliches Projekt: Das Ägyptische Museum in München bekam einen Neubau und man wollte den Räumlichkeiten auch akustisch Leben einhauchen; daher wurde der Komponist Mark Polscher beauftragt, eine Klanginstallation zu schaffen, welche die riesigen Säle im Souterrain der Hochschule für Fernsehen und Film miteinander verbindet und zu einer assoziativen Reise in die Vergangenheit einlädt. Polscher näherte sich dem Thema von zwei Seiten: zum einen über die jahrtausendealte Literatur des antiken Ägyptens – Verse voll mystischer Kraft und rätselhafter Bilder –, zum anderen über die elektronische Klangkunst, wie es sie erst seit gut sechzig Jahren gibt. Das Ergebnis überzeugt: Während sich der Museumsbesucher von überlebensgroßen Statuen von Pharaonen oder Gottheiten beeindrucken lässt, begleiten ihn nun kratzende, rollende oder metallene Geräusche, unterbrochen von geflüsterten Versen.
Jetzt gibt es dieses Hörerlebnis auch auf CD. Hierfür musste das klangliche Material vom Komponisten in eine lineare Form gebracht und die mit den Dimensionen des Raums spielende 64-kanalige Surroundkonstruktion für das gängige Stereobild reduziert werden. Digitaler Arbeitsweise sei Dank ist das Material auf der CD sehr gut durchhörbar präsentiert. Die Wortebene wird von Klängen begleitet, die man bereits seit den 1990er Jahren aus der Hörkunst kennt: metallenes Klirren und Rollen, Knacksen, Rauschen. Im Stil eines zeitgenössischen Hörspiels werden unterschiedliche Verse zunächst leicht verständlich vorgestellt, bevor sie allmählich von ansteigenden Klangwellen zugedeckt werden, nochmal auftauchen und wieder verschwinden. Dieses Schema charakterisiert zwölf der 13 Tracks. Auf die Dauer wirkt dies etwas monoton, zumal die Botschaften der altägyp­tischen Zeilen musikalisch weitgehend unkommentiert bleiben. Hierfür nimmt man dankbar das Booklet zur Hand, denn darin finden sich die kompletten Gedichte, Gebete und Prophezeiungen, sodass man auf diesem Wege den inhaltlichen Zusammenhang herstellen kann.
Eine erfrischende Ausnahme stellt Track 6 dar: «The Wandelgeist» ist ein witziges, den Text ironisierend ausdeutendes kleines Hörstück über Gegenflüche, die den Menschen vor Krankheit bewahren sollen. So wie hier gläsernes Klimpern und Summen an Talismane und Beschwörungsformeln denken lassen, wünscht man sich auch den Rest der CD. Dieses Medium stellt nun mal andere Anforderungen als ein mit optischen Eindrücken überreiches Museum. Dort ist man unter Umständen froh, wenn man nicht alle akustischen Ebenen verfolgen muss – hier möchte man es und wird enttäuscht.

Sibylle Kayser