Cage, John
The Works for Saxophone 3 & 4: Party Pieces / Four6 / Cartridge Music / One7 / Fontana Mix / 433 / Sculptures Musicales
Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 5
Repertoirewert: 4
Booklet: 5
Gesamtwertung: 5
Mit einer Doppelausgabe bringt Ulrich Krieger seinen «CAGE of saxophones» zu einem rundum gelungenem Abschluss. Dass dies im letzten Kapitel besonders gut funktioniert, hat nicht allein mit den flexiblen Vorgaben von John Cage zu tun, sondern viel damit, wie der umtriebige Saxofonist, Klangkünstler, Komponist und Improvisator mit seinem Instrument umgeht, was herzlich wenig mit dem zu tun hat, wie wir das Saxofon normalerweise wahrnehmen.
Schon Four6 (1992), hier mit verstärktem Quartett eingespielt, offenbart die Fruchtbarkeit von Kriegers Konzept einer «acustic electronic», die auf beeindruckende Weise pseudo-elektronische Klangeindrücke mit konventionellen Instrumenten erzeugt. So entsteht (ebenso wie in One7, wo Krieger sechs verschiedene Saxofone selbst spielt) eine wunderbar kontemplative Version mit schwebenden Klangflächen und feinen Geräuschnuancen, die atmosphärisch dichte, ja schlichtweg schöne Manifestationen des Augenblicks generiert.
Ein ganzes Kammermusikensemble lässt Krieger in seiner Auffassung der Cartridge Music (1960) zum Einsatz kommen, deren Klangerzeuger normalerweise Tonabnehmer von Schallplattenspielern darstellen. Das provoziert jedoch auch hier kein plapperndes Musikantentum, sondern eine in sich ruhende «Musique concrète instrumentale», die als gelassene Geräusch-Collage daherkommt. Asketische Reduktion auch beim ursprünglich elektronischen Fontana Mix (1958), das Krieger als «Tool» für ein tiefes Holzbläsersextett benutzt – ein Netzwerk sanft irisierender Liegeklänge. Aber auch in seiner ursprünglichen Idee als Band-Musik taucht Fontana Mix auf: Krieger nahm einfach das Material aller bisher produzierten CDs seiner Cage-Reihe und mischte daraus einen wuseligen Remix. Der fällt hier ebenso aus dem Rahmen statischer Klang-Kontemplation wie die Party Pieces (1949/59), die Cage aus einer kollektiven Noten-Schnipselei mit Henry Cowell, Lou Harrison und Virgil Thomson gewann – zwanzig ausgesprochen melodische, leicht verdauliche «Party-Häppchen» mit jazzigem Beigeschmack.
Der Kontrast könnte nicht größer sein zu den rauen Oberflächen der Sculptures Musicale (1989), hier als erstaunlich homogene Interaktion aus zahlreichen Instrumenten, Realgeräusch und elektronischen Klangquellen eingespielt. Interessant ist auch Kriegers Sicht auf Cages legendäres 433 (1952), das hier in zwei von prinzipiell unendlichen Erscheinungsformen auftaucht: eine «open windows version», die erwartungsgemäß den Fokus auf Alltagsgeräusche wie Stimmen, Verkehr, Arbeitslärm etc. lenkt, und eine «studio version», die abgesehen von minimalen Bewegungsgeräuschen der regungslosen Akteure totenstill ist. So wird Version 2 zwangsläufig zu derjenigen des Rezipienten, mit den Klängen der Lebenswelt im Augenblick des Hörens: in diesem Fall kam Elstern eine tragende Rolle zu
Dirk Wieschollek