Hesketh, Kenneth

Theatre of Attractions

Verlag/Label: Digitaler Vertrieb über iTunes und Amazon
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2013/05 , Seite 91

Musikalische Wertung: 4
Technische Wertung: 4
Booklet: –

Der Brite Kenneth Hesketh, Jahrgang 1968, hat in jedem denkbaren Genre Werke hinterlassen und erfreut sich der Unterstützung namhafter Interpreten wie Oliver Knussen und Simon Rattle. Ab 2007 war er «Composer in the House» beim Royal Liverpool Phil­harmonic Orchestra, und er lehrt Komposition am Royal College of Music. Zu den Komponistenpersönlichkeiten, die ihn geprägt und auch unterrichtet haben, zählt Henri Dutilleux. Auch wenn Heskeths Tonsprache weit von der des großen, jüngst verstorbenen Franzosen entfernt ist, so ließ er sich von Dutilleux doch zumindest in der meisterhaften Behandlung instrumentaler Klangfarben und der stets transparenten Auffächerung des motivischen Geflechts inspirieren.
Hesketh beschäftigt sich in seinen Werken stets auch mit früheren Epochen der Musikgeschichte, z. B. der mittelalterlichen «Ars subtilior», der er etwa in dem Werkpaar Dei Destini Incrotiati und Fra Duri Scogli huldigt. Beide dieser für Instrumentalsextett geschriebenen Werke sind in einem Komponistenporträt enthalten, das vom Ensemble Psappha, mit dem Hesketh regelmäßig zusammenarbeitet, aufgenommen wurde – das allerdings nur als Download über iTunes oder Amazon (als Suchbegriff gibt man «Theatre of Attractions» ein) käuflich erworben werden kann.
In der individuellen Anverwandlung historischer Modelle ähnelt Heskeths Musik ein wenig jenen Kompositionen, die Peter Maxwell Davies in den 1960er und -70er Jahren für das Ensemble «Fires of London» schrieb. Wie gestenreich und beinahe theatralisch le­bendig Heskeths Tonsprache sein kann, zeigt sich in den weiteren Kapiteln
dieses Download-Albums: den frühen Aphorisms für Klarinette solo und den Three pieces in the shape of a shoe (Parallelen zu Satie betreffen nur den Titel!), vor allem aber im großen Ensemblewerk Theatre of Attractions, in dem sich Heskeths Faszination für «unzuverlässige Maschinen» manifestiert: Von mechanisch anmutender Rhythmik geprägte Prozesse führen sich allmählich selbst ad absurdum, bis die «Maschine» zusammenbricht und die Musik einen Ausblick auf neue Dimensionen eröffnet. Die Distanz zu Werken wie Harrison Birtwistles Secret Theatre ist nicht allzu groß. Heskeths Musik gibt sich jedoch, bei all ihrer Vielschichtigkeit, konzilianter und verspielter.
Den Musikern von Psappha ist hörbar daran gelegen, Heskeths ebenso intrikater wie physisch direkter und farbintensiver Musik in all ihren Facetten Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Sollte jemand neugierig geworden sein – oder vielleicht dem Medium des Musik-Downloads nicht allzu viel abgewinnen können: Auch eine «richtige» CD mit Heskeths Musik ist vor kurzem erschienen. Sie trägt den Titel Wunderkammer(konzert), präsentiert Ensemble- und Orchesterwerke, die Hesketh während seiner Residenz in Liverpool komponierte, ist beim britischen Label NMC erschienen (D186) und kann über die Homepage des Labels bestellt werden.

Thomas Schulz