Dickinson, Peter

Three Concertos | Merey-Side Echoes

Verlag/Label: Heritage HTGCD 276
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2015/02 , Seite 81

Musikalische Wertung: 4
Technische Wertung: 4
Booklet: 4

Am 15. November 2014 feierte Peter Dickinson seinen 80. Geburtstag. Der aus Lancashire stammende Engländer machte sich nicht nur als Komponist, sondern auch als Pianist und vor allem als Musikschriftsteller und -kritiker einen Namen: Arbeiten über John Cage, Lord Berners und Charles Ives zählen zu Dickinsons Veröffentlichungen. Vor allem Elemente der Musik des Letzteren sind es, die in seiner eigenen Tonsprache modifiziert aufscheinen – vor allem die Gleichzeitigkeit verschiedener Stilebenen im Gebäude einer Komposition. Dies gilt nicht zuletzt für die drei Instrumentalkonzerte, die auf vorliegender CD gemeinsam mit dem kurzen Orchesterwerk Merseyside Echoes präsentiert sind.
«Stilistische Modulation» nennt Dickinson seine Methode der Konfrontation differierender Musikformen und führt weiter aus, dass die Gleichzeitigkeit des Disparaten zu den Grundingredienzien  zeitgenössischer Erfahrung zählt – in der Musik und im Film wie auch im täglichen Leben. Wenn Dickinson in seinen Werken Elemente der Populärmusik integriert – etwa den Ragtime im Klavierkonzert oder einen stilisierten Blues im Orgelkonzert –, so geschieht dies nie auf demonstrative Art und Weise wie etwa bei seinem Vorbild Ives oder bei Alfred Schnittke, sondern die divergierenden Ebenen interagieren quasi unter der Oberfläche, wie in einem Nebel. Wenn dann etwa im Klavierkonzert ein klassischer Ragtime plötzlich aus diesem Nebel auftaucht – gespielt von einem zweiten Klavier mit dazugehöriger Rhythmusgruppe –, wirkt dieses Scheinzitat wie eine flüchtige Vision.
Neben diesem Komponieren in Schichten ist es vor allem die sehr farbige Art der Orchesterbehandlung und -besetzung, die an Dickinsons Musik interessant wirkt. Direkt aus der Ives’schen Sphäre  übernommen erscheinen jene leisen, unabhängig vom Rest sich bewegenden Klangschichten aus zarten Glockentönen, die in jeder der hier vorgestellten Kompositionen erklingen, auch in den an eine Konzertouvertüre gemahnenden Merseyside Echoes, in de­nen Dickinson dem Sound der frühen Beatles seinen Tribut zollt, ohne dass diese Allusion jemals an «Cross­over»-Musik gemahnen würde.
Die Tonsprache der drei Konzerte gibt sich weit strenger, dramatischer, gelegentlich auch gewalttätig; tonale Elemente spielen, außer in den Visionen anderer Musikstile, keine bedeutende Rolle. Wenn man der Musik etwas vorwerfen könnte, dann höchs­tens, dass ihre formale Gestaltung – mosaikartige Anordnung kleiner Zellen unter einem einsätzigen Bogen – auf die Dauer etwas gleichförmig wirkt.
Die Interpretationen bewegen sich durchweg auf sehr hohem Niveau, wobei zwei der Einspielungen – unter anderem des Klavierkonzerts mit seinem Widmungsträger Howard Shelley – bereits in den Achtzigerjahren einmal greifbar waren. Im Falle des Violinkonzerts und der Merseyside Echoes handelt es sich um Neuaufnahmen aus dem Jahr 2014.
Thomas Schulz