Eötvös, Peter

Three Sisters

Verlag/Label: BudapestMusicCenter Records BMC CD 190
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2012/04 , Seite 77

Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 5
Booklet: 5

Die Oper Three Sisters von Peter Eötvös nach dem gleichnamigen Schauspiel von Anton Tschechow erlebte ihre Uraufführung am 13. März 1998 an der Oper in Lyon, ihre deutsche Erstaufführung am 13. Oktober 1999 an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf. Auf Tonträger wurde sie erstmals 1999 durch die Deutsche Grammophon publiziert. Nun erlebt das erfolgreiche, häufig gespielte Werk als Uraufführungsmitschnitt eine weitere Veröffentlichung auf dem unga­rischen Label BudapestMusicCenter Re­cords, das bereits weitere Werke des Landsmannes herausgegeben hat (As I Crossed a Bridge of Dreams und Snatches).
Peter Eötvös studierte bereits als 14-Jähriger an der Musikakademie in Budapest bei Zoltán Kodály. Three Sisters ist seine erste Oper, in drei Sequenzen in russischer Sprache von Claus H. Henneberg und Eötvös librettisiert. Interessant ist der Kunstgriff des Komponisten, die Figuren der drei Schwestern Olga, Masha und Irina mit Countertenören zu besetzen. Die durch das Falsettieren möglich gewordenen «männlichen» Altstimmen neutralisieren zwar die Weiblichkeit der drei Schwestern, verstärken aber gleichzeitig ihr intensives, emotionales Sehnsuchtsbild, das seit elf Jahren ihren Aufenthalt in der russischen Provinz bestimmt. «Im Epilog der Oper», schreibt Eötvös, «wendet sich Olga, die älteste Schwester, an uns [gemeint ist das Publikum] und sagt: «Die Zeit vergeht, wir werden diese Erde verlassen und werden sie für immer vergessen …» Den uns Nachfolgenden aber erscheint unser Leiden als Glück, dem Frieden und Freude folgen.
Dem Nachdruck verleihend, entfernte Peter Eötvös sich vom Einfluss Béla Bartóks und gestaltete sein Musiktheaterstück aus dem Material, welches er durch Karlheinz Stockhausen, Alban Berg oder Pierre Boulez kennenlernte. Im einem dichten, groß­zügig errichteten Klanggebilde verändert Eötvös die Vorlage des russischen Schriftstellers, indem er die Linearität in Tschechows Text durch eine veränderte Anordnung einzelner Elemente ersetzt. Jede Opernsequenz wird durch einen anderen Protagonisten bestimmt: Die erste sieht die jüngste Schwester Irina im Zentrum, in der zweiten agiert Bruder Andrei, die dritte steht im Zeichen der von großer romantischer Liebe träumenden Masha. Die verschiedenen Blickwinkel erlauben verschiedene Erinnerungen an das Leben in der ungeliebten Gouvernementsstadt, die alle nach dem Tod des dort stationierten Vaters verlassen wollen.
Peter Eötvös gelingt es trotz einer Vielzahl moderner Klangelemente, die Melancholie der drei Schwestern, wie Tschechow sie beschrieben hat, in spannende, überraschend wendige, d. h. zementierte Konventionen verlassende Musik umzusetzen. Zarte Ansätze harmonischen Gleichklangs verwischt der Komponist, indem er gegenläufige Klangstrukturen einbindet und den Gesangsstimmen kakophonische Lautmalereien zumutet.

Klaus Hübner