Bandt, Ros / Sistermanns, Johannes S.
tracings
Musikalische Wertung: 1
Technische Wertung: 4
Booklet: 3
In der Mathematik ist 1+1 eine einfache Gleichung. In der Kunst hingegen ist die Begegnung zweier Künstler weitaus schwerer zu fassen, zumal dann, wenn sich zwei freizügige Experimentatoren mit Materialien und Gedanken begegnen, die kaum auf einen Nenner zu bringen sind. Drei Kooperationen präsentieren die australische Klangkünstlerin Ros Bandt und der deutsche Klangkünstler Johannes S. Sistermanns auf ihrer CD tracings. In BYOS vermengen beide im Studio spontan bearbeitete Materialien. Klänge von deutschen und australischen Industrieanlagen oder von kleinen Glocken treten in den Vordergrund. Schichten undefinierbarer abstrakter Geräusche bilden den Hintergrund für dezente klangliche Ereignisse. Menschliche und mechanische Laute halten sich die Waage, durchaus mit gutem Timing arrangiert.
Stark performativen Charakter hat die Co-Komposition Sonic Blue Red Tracings Kami (1997-2011). Auf einem langen, gespannten Papierbogen malen Bandt und Sistermanns abstrakte entfernt an Jackson Pollocks Action Paintings erinnernde Figurationen. Nicht mit dem Pinsel tun sie dies, sondern mit ihren in Farbe getauchten Haaren. Wie diese Zweckentfremdung ihren Weg auf eine CD finden kann, erklärt sich durch die akustische Abnahme der Papiergeräusche. Auch wenn sich einige Windgeräusche und an ein Akkordeon erinnernde Klänge hinzugesellen, macht das die «Komposition» kaum attraktiver. Ein Happening, das «vor Ort» vielleicht mehr Reize entfalten kann.
Wo sich beide Künstler treffen, erhellt A Global Garden for Percy, das auf der Idee einer freien Musik des australischen Komponisten und Pianisten Percy Grainger (1882-1961) beruht. Von 1938 stammt ein Text Graingers, der geflüstert hervortritt zwischen allerhand Wassergeräuschen und kleineren instrumentalen Beigaben. Bemüht meditativ wirkt das Ganze, das ursprünglich im Jahr 1997 als «intercontinental live satellite radiophonic work» konzipiert war.
Die CD tracings lässt einen etwas ratlos zurück. Nicht nur wegen der unnötigen, mehr als vierzigminütigen Länge von A Global Garden for Percy, sondern auch deshalb, weil sich die elaboriert-sophistischen Konzepte akustisch weder erschließen noch so etwas wie Hörfreude oder wie auch immer geartete Spannung evozieren. Es bleibt der Eindruck einer Kooperation, die sich verläuft. Ob das der so grenzenlosen Offenheit und Experimentierlust der Künstler geschuldet ist oder einfach nur der Kontinentaldrift das mögen andere beurteilen.
Torsten Möller