Hiekel, Jörn Peter / Patrick Müller (Hg.)

Transformationen

Zum Werk von Klaus Huber

Verlag/Label: Schott Music («edition neue zeitschrift für musik»), Mainz 2013, 231 Seiten, 22,95 Euro
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2013/05 , Seite 92

Das Schaffen Klaus Hubers ist vergleichsweise gut dokumentiert, zu wenig wohl immer noch auf CD, sehr breit jedoch in seinen eigenen Schriften (gesammelt erschienen bei MusikTexte) und Interviews (am umfassendsten wohl mit Claus-Steffen Mahnkopf: Von Zeit zu Zeit). Der Schweizer Komponist, der nächstes Jahr neunzig Jahre alt wird, erweist sich dabei als ebenso gründlicher wie selbstreflektierter Formulierer, sodass es für Dritte gar nicht so einfach ist, dies kritisch zu beleuchten und zu hinterfragen.
Nicht zu Unrecht finden jedenfalls die Herausgeber dieses Bands, die an der Zürcher Hochschule der Künste tätigen Jörn Peter Hiekel und Patrick Müller, Hubers Schaffen sei «bislang allenfalls in Ansätzen erforscht». Hierzu bieten sie – ausgehend vom Stichwort «Transformationen» – einige Texte. Transformation nämlich findet, wie Hiekel eingangs feststellt, bei Huber auf mehreren Ebenen statt: zwischen den Musikepochen, den harmonischen Räumen, den Kulturen, der Spiritua­lität und auch zwischen den eigenen Werken, die häufig bearbeitet und weiterentwickelt werden. Leitmotivisch zieht sich dabei der von Huber oft zitierte Ausspruch «Das Unabgegol­tene im Vergangenen aufsuchen» (Ernst Bloch) durch den Band. Die Gültigkeit des Gesagten, das ist zentral für Huber, muss ständig überprüft werden; dass sich Huber dabei vielleicht auch angreifbar macht, gehört zu seiner künstlerischen Größe. Auch hier findet nochmals eine Transformation statt.
Die neun Texte des reich illustrierten Bandes stellen unterschiedliche Aspekte in den Mittelpunkt: Mahnkopf geht der Frage der «Wahrheit» nach, Max Nyffeler findet den Schweizer im durchaus global denkenden Huber, stellt ihn in die Tradition, etwa von Max Frisch, des «Diskurses in der Enge» und entdeckt gerade da auch die Wurzeln für Hubers weltoffenes und humanes Engagement. Thomas Gartmann widmet sich der geistlichen Musik und Martin Zenck in einem großen und erhellenden Aufsatz den Bezügen zu Gesualdo und der Epoche des Manierismus. Susanne Kogler untersucht das Verhältnis von Sprache und Klang; die unterschiedlichen, etwa dritteltönigen Tonsysteme greifen auch Christian Utz und Till Knipper auf. Einzelne Werke analysieren schließlich Heidy Zimmermann und Sibylle Kayser.
Gewiss rücken in all dem einzelne Werke in den Vordergrund, zum Beispiel die Reihe der Plainte oder die zu Gesualdos Responsorien geschriebenen Lamentationes. Andere, die man einst als zentral betrachtete, wie das Oratorium Erniedrigt – Geknechtet – Verlassen – Verachtet …, stehen kaum im Fokus. Überzeugend jedoch wird darin dargelegt, auf welchen Ebenen sich Transformation ereignet. Der von den Herausgebern gewählte Blickwinkel eröffnet so zahlreiche Perspektiven. Leider fehlen dem Band – das wäre für die Musikwissenschaft durchaus hilfreich gewesen – eine umfassende Bibliografie zum Schaffen Hubers sowie ein Register.

Thomas Meyer