Michael Denhoff, Campanula, Ulrich Phillipp

Trio Improvisations

for campanula, bass & percussion

Verlag/Label: sporeprint 1408/03 (a/b)
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2015/05 , Seite 81

Musikalische Wertung: 4

Technische Wertung: 4

Booklet: –

 

Vordergründig tönt sie wie ein Cello. Doch bei genauem Hinhören werden sofort die sehr spezifischen Charakteristika der Campanula deutlich, die der Instrumentenbauer Helmut Bleffert in den 1980er Jahren konstruierte: auf der Basis der Bauweisen einer alten Viola d’amore, also eines Gambeninstruments, und eines Barytons, das mit frei schwingenden Bordunsaiten ausgestattet ist, die sich auch auf der schlanken Campanula finden. Ein von der Größe her dem Cello ähnelndes Instrument, das jedoch wärmer, weicher und in den Tiefen sonorer tönt – und deshalb auch in der alten Musik immer wieder Einsatz findet.
Nun wird die Campanula auch für Improvisationen genutzt: Der deut­sche Komponist und Improvisationskünstler Michael Denhoff, der sogar einige Kammermusikwerke für das Instrument komponierte, spielt die Campanula in einem seit 2011 bestehenden Trio mit zwei Musikern der Kooperative New Wiesbaden e.V.: dem Kontrabassisten Ulrich Phillipp und dem Schlagzeuger Jörg Fischer. Nicht nur das Aufeinandertreffen dreier führender Improvisa­tionskünstler Deutschlands, sondern auch die Klangfarbe der Campanula machen diese CD spannend: Klanglich herrscht eine viel größere Harmonie zwischen dem Kontrabass und dem neuen Instrument als mit einem Violoncello. Und so überraschen vor allem die eher getragenen Improvisationen dieser Doppel-CD wie etwa No. 13 oder Filter, ein rund viertelstündiges, flächiges Stück.
Was das Trio von frei improvisierenden Jazzformationen unterscheidet, ist aber nicht nur die Campanula, sondern auch die Erfahrung der drei Musiker mit neuer, komponierter Musik, die sich in den ab­strakten Spielgesten, den unkonventionellen Klangerzeugungsmethoden und der formalen Konsequenz der zwölf auf den beiden CDs vereinten Improvisationen spiegelt. Das will nicht heißen, dass die Stücke nicht auch eine geballte Energie entfalten können, so wie das eröffnende St. Helena gligg, das aus anfänglich flächigen Klängen rasch einen spannungsgeladenen, auf punktuellen Klängen basierenden Drive entwickelt.
Dank der großen improvisatorischen Spielerfahrung der drei Musiker wird auch die Instrumentalzusammensetzung mit zwei tiefen Streichern und Perkussion, die auf dem Papier eher Einförmiges befürchten lässt, nicht einen Augenblick langweilig, sondern überrascht stets von Neuem mit innovativem Klangreichtum. Ein schönes Beispiel dafür, dass improvisierte Musik nicht immer von einstudierten «Licks» beherrscht werden muss.
Reinhard Kager