Dirk Reith / Susanne Erding Swiridoff / Hans-Christian von Dadelsen / Axel Ruoff / Wilfried Jentzsch / Wolfgang Grandjean

Un lay de consolation

Verlag/Label: artist.cd ARTS 8106 2
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2005/04 , Seite 78

musikalische wertung: 5
technische wertung: 5
repertoirewert: 3
booklet: 3
gesamtwertung: 4

Dass Wergos neues Künstlerlabel artist.cd nicht nur experimenteller Klangkunst frönt, sondern auch vielfältigen Musikformen instrumentaler Provenienz offensteht, beweist diese eher ‹konventionell› ausgerichtete Produktion der Flö­tistin Ulrike Volkhardt mit einer Reihe eigens für sie geschriebener Solo-Kompositionen. Dabei ge­reicht es der unter dem Titel Un lay de consolation  herausgegebenen Kompilation nur zum Vorteil, dass die Dozentin an der Essener Folkwanghochschule als versierte Solis­tin in neuer und alter Musik gleicher­maßen zu Hause ist. Schließlich unterhält ihr ausnehmend spirituell gefärbtes Blockflöten-Recital intensive Beziehungen zu Mittelalter und außereuropäischer Musik und legt dank Volkhardts Eloquenz ganz nebenbei die Wandlungsfähigkeit eines sicher vielfach unterschätzten Instruments an den Tag.
Den episch ausholenden An­fang macht das titelgebende Un lay de consolation (1998/2002) von Dirk Reith, ursprünglich als Tanz-Performance für ein sakrales Am­biente entwickelt, wo Musik von Guillaume de Machaut, anonyme mittelalterliche Gesänge und Teile der eigenen elektronischen Komposition Nahe zu fern zusammen­fließen. Nah- und Fernwirkungen sind denn auch ein wesentlicher Bestandteil dieser sprirituellen Erfahrungsräume, die der künstlerische Leiter des ICEM (Institut für Computer-Musik und elektronische Medien) hier aufmacht und dabei den lyrischen Flöten-Part nicht immer überzeugend in synthetische Texturen verstrickt. Ob­wohl sich der raunende Lyrismus dieser Raumklang-Komposi­tion am Ende allmählich ins Geräusch verabschiedet, schrammt Reiths Lied des Trostes dabei nicht selten gefährlich nah an New-Age-Kitsch vorbei. Ein ähnlich altertümelndes Odeur verströmt Dix et Sept (2002) von Wolfgang Grand­jean, das auf Machauts gleichnamiges Rondeau zurückgeht und seine Quasi-Polyphonie in quirliges Musikantentum verpackt. Von der literarischen Sehnsucht nach Arkadien wird Susanne Erding Swiridoffs Rosen­roman (1997) getragen, das von der Novelle Roman de la rose aus dem 13. Jahrhundert inspiriert ist und in seiner ornamentalen Melodiebehandlung durchaus asiatische Wege geht. Strukturell am konsequentes­ten über den europäischen Tellerrand blickt Nordnordost (1997) von Hans-Christian von Dadelsen, dessen trancehafte Repetition kurzer melodischer Patterns sowohl Minimal als auch afrikanische Rhythmusmodelle im Ge­dächtnis tragen. Eher buddhistischen Befindlichkeiten sinnt Axel Ruoffs Ryoanji (2004) nach, das sich in Anlehnung an die Klangfarben der japanischen Bambusflöte Shakuhachi den Strukturen des in der Neuen Musik vielfach bemühten Zen-Kloster-Gartens mit andachtsvoller Ruhe und asiatischer Tongebung widmet. Wesentlich geräuschhafter geht es schließlich bei Wilfried Jentzsch zu, der die elektroakustischen Transformationen von Instrumentalklang in Cantus à 4 (1985) und insbesondere Windshauch (2004) hier am weites­ten vorantreibt und für Klanglandschaften verantwortlich zeichnet, die ausgesprochen metaphysisch gestimmt sein können.

Dirk Wieschollek