Valentina Lisitsa plays Philip Glass

The Hours | Metamorphosis | Mad Rush u. a.

Verlag/Label: 2 CDs, Decca 478 8079
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2015/04 , Seite 76

Musikalische Wertung: 1

Technische Wertung: 4

Booklet: 1

Filmmusik ist ein heikles Gewerbe. Einerseits sollte sich die Musik nicht zu sehr in den Vordergrund spielen, andererseits sollte sie im Hintergrund nicht einfach nur ihr Dasein fristen, sondern Charaktere verdeutlichen, Stimmungen subtil einfangen oder einfach das sagen, was mit Bildern nicht gelingt. Stanley Kubrick ist ein gefundenes Fressen für die Filmmusikforschung. In seinen Filmen Paths of Glory, Clockwork Orange oder 2001 – Odyssee im Weltraum führte der Regisseur vor, welche Perspektiven die Musik eines Richard Strauss, eines György Ligeti oder eines gewaltigen wie gewalttätigen Ludwgi van Beethoven eröffnen kann.
Nun, auch Philip Glass komponierte Filmmusik. Er tat es für Blockbuster wie The Hours oder The Truman Show. Beide Soundtracks spielt Valentina Lisitsa nun auf dieser CD, nebst einigen Solostücken wie Glassworks, das Glass komponierte, um, wie es im Booklet heißt, «seine Musik einem breiteren Publikum zugänglich zu machen». Bei solch einem exoterischen Anspruch müssen nicht gleich die europäischen Alarmglocken klingen. Doch je länger man sich diesen moll-lastigen Dreiklangswelten aussetzt, desto mehr sagt jeglicher Kunstanspruch adieu. Bei Steve Reich hat der amerikanische Minimalismus Kraft – hier geraten die Wiederholungen zur Farce. Eintönig geht es dahin. Welches «Werk» nun gerade klingt, ist Nebensache. Hauptsache, die Kohle stimmt. 
Man könnte Fragen stellen: Wa­rum muss man diese unerträglichen Seichtheiten auf eine CD pressen, also nicht da lassen, wo man wenigstens so schöne Frauen wie Nicole Kidman sieht? Wie kann man so etwas als Virtuosin spielen? Oder: Wie bringt es ein Komponist über sich, solchen, mit Verlaub, Schund zu Papier zu bringen? 
Glass muss ein Zyniker sein. Und zum Zynismus passt Weiteres: Im Booklet kommt der populäre Musikkritiker Alex Ross (The Rest is Noise) zu Wort, der meint, Philip Glass habe sich «einen festen Platz in der Musikgeschichte gesichert». Schlimm ge­nug, aber zumindest nicht ganz falsch. Wenn später jedoch der Book­let-Au­tor Steven W. Trasher davon spricht, dass Philip Glass im Gegensatz zu John Cage, Steve Reich und Terry Riley als Einzigem der Durchbruch gelang und es obendrein keiner der drei vermochte, wie Glass «die grundlegendsten Konventionen klassischer europäischer Kompositionskunst» in Frage zu stellen – dann ist ein kaum überbietbarer Grad musikalischer Dummheit erreicht.
Torsten Möller