Vladislav Delay Quartet

Verlag/Label: Honest Jons Records HJRCDDJ56
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2012/02 , Seite 86

Musikalische Wertung: 4
Technische Wertung: 4
Booklet: 3

Paradoxerweise kommen momentan die innovativen Impulse im kreativen Jazz aus der elektronischen Musik. Am experimentellen Rand dieser Szene wird freie Improvisation groß geschrieben. Doch wird das spontane Spiel anders praktiziert. Musiker lassen sich von den digitalen Sounds inspirieren und bringen Töne auf ihren akustischen Instrumenten hervor, die «elektronisch» klingen. Dazu kommen die Techniken des Samplings und Live Processings. Das Quartet des finnischen Schlagwerkers Vladislav Delay ist in diesem Terrain zuhause. Delay hat sich im Moritz von Oswald Trio einen Namen gemacht als Drummer, der weniger an strenger Metrik denn an perkussiven Akzentuierungen interessiert ist. Als Bauelemente seiner Musik dienen elektronische Klangflächen, die oft harsch und roh daherkommen und an Rückkopplungen, Flugzeuglärm oder Fabrikgeräusche erinnern. Darüber legen Schlagzeug, Saxofon oder Bassklarinette weitere Schichten, die sich durch Repetition und Halleffekte verdichten, während das rhythmische Element entweder durch den Kontrabass (gespielt von Derek Shirley) oder das dumpfe Hämmern, pulsartige Pochen oder metrische Knacken der Elektronik von Mika Vainio ins Spiel kommt. Mit Überblaseffekten, Spalttönen und Eigengeräuschen nähern sich das Saxofon- und Bassklarinettenspiel von Lucio Capece der digitalen Klangwelt an. Es läßt eine Musik entstehen, in der die Grenze zwischen Mensch und Maschine immer mehr verschwimmt.

Christoph Wagner