Arnold Schönberg
Von heute auf morgen
Regie: Andreas Homoki / 60 min.
Angesichts des durchschlagenden Erfolgs, den der junge Ernst Krenek 1927 mit seiner «Zeitoper» Jonny spielt auf errungen hatte, muss sich der fast eine Generation ältere Arnold Schönberg gesagt haben: «Das kann ich auch», und komponierte seinen Einakter Von heute auf morgen. Unter dem Pseudonym Max Blonda schrieb ihm seine Frau Gertrud das Libretto. Das Sujet mutet ganz heutig an: Ein Ehepaar sehnt sich nach Abwechslung und individueller Selbstverwirklichung, bricht aus seinem langweiligen Ehealltag aus und versucht sich in einer, wie es heute heißt, «offenen Beziehung». Als Wunschprojektion dient ihr ein Tenor, ihm eine ehemalige Schulfreundin. Doch das Experiment scheitert. Das Paar findet zur klassischen Ehemoral zurück und die beiden Wunschpartner, die ihre «Modernität» wie eine Monstranz vor sich hertragen, stehen am Schluss als lächerliche Figuren da.
Dass das zwischen herber Moralkritik und Lustspiel angesiedelte Werk nicht zu dem von Schönberg erhofften Theaterhit wurde, liegt wohl nicht zuletzt an seiner Musiksprache. Publikumsunterhaltung und zwölftöniger Gesang passen eben nur bedingt zusammen, auch wenn er mit allen Raffinessen der Charakterisierungskunst ausgestattet ist, was hier bis zum satirischen Tonfall reicht. Kurt Weills Verzicht auf hochkulturelle Muster funktionierte in solchen Fällen besser. Einer Quadratur des Kreises gleicht auch Schönbergs Versuch, Situationskomik à la Marivaux und zeigefingerhafte Lehrstückmoral unter einen Hut zu bringen und das Ganze obendrein noch musikalisch mit durchaus witzigen Wagner-Parodien zu würzen.
Wie die Korngold-Inszenierung ist auch diese Produktion am Teatro La Fenice in Venedig entstanden und in Zusammenarbeit mit dem italienischen DVD-Label Dynamic auf den Markt gebracht worden (deutscher Vertrieb: Klassik Center Kassel). In der Inszenierung mit dem Regisseur Andreas Homoki präsentiert sich Schönbergs merkwürdiges Zwitterwesen, das eine frivole Geschichte in einer stacheligen Musik verpackt, zumindest als interessantes und durchaus sehenswertes Dokument aus einer Zeit des Suchens nach neuen Bühnenformen. Die beiden Hauptdarsteller Georg Nigl und Brigitte Geller erweisen sich trotz ihrer haarsträubend schweren Partien als glänzende Komödianten, das Fenice-Orchester unter Eliahu Inbal gibt sein Bestes.
Max Nyffeler