Weapon of Choice

Solo works for violin, electronics and visual media

Verlag/Label: DVD, Ahornfelder AH21
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2011/06 , Seite 91

Musikalische Wertung: 3
Technische Wertung: 2
Repertoirewert: 3
Booklet: 2
Gesamtwertung: 3

Soloinstrument und Live-Elektronik – ein weites Feld voller Möglichkeiten. Und dennoch zieht sich eine Konstante durch viele Kompositionen für diese Besetzung, nämlich die Tatsache, dass das akustische Instrument häufig eher die Funktion als Impulsgeber erhält, mehr als Trigger dient denn als «gleichberechtigter» Spielpartner der Elektronik.
Barbara Lüneburg hat sich schon vor über 15 Jahren auf die stete Suche begeben, die konventionellen Pfade des Geigenspiels zu erweitern. Sie ist Mitbegründerin des Ensemble Intégrales, beschäftigt sich mit Improvisation ebenso wie mit elektronischer Klangerweiterung. Für dieses Projekt hat Lüneburg Kompositionsaufträge an Komponisten wie Videokünstler vergeben, die die Möglichkeiten multimedialer Interaktionen von Instrument, Live-Elektronik und visueller Darstellung erforschen sollten.
Eine mehr oder weniger Eins-zu-eins-Umsetzung von Geigenklang, elektronischer Verfremdung und Bild von Henry Vega und Emmanuel Flores Elias eröffnet die DVD. Letztlich verwenden die Künstler ein altes Prinzip: das der Verdoppelung, der Überschreibung oder besser Übersetzung. Dennoch wirkt das Geschehen rasch ermüdend, ist doch ein solcher Einsatz von Live-Elektronik nebst Visuals schon ein quasi historischer – so avanciert sie aus technischer und sinnlicher Sicht vielleicht sein mögen. Ähnlich verhält es sich mit dem Phänomen eines Bewegungssensors (in diesem Falle am Geigenbogen befestigt), mit dem Gesten der Musikerin zu visuellen Grafiken umgesetzt werden. Musikalisch stehen hier, im Werk von Alexander Schubert, energetische Glissandi im Mittelpunkt. Dai Fujikura geht im Prinzip einen noch konventionelleren Weg. Er komponiert ein Stück für Violine, gedacht als bewegte Reminiszenz oder Übertragung historischer japanischer Kalligrafie. Hinzu tritt bewegte Kalligrafie des Videokünstlers Tomoya Yamaguchi, die an die Musik angelehnt ist, ihr aber nicht exakt folgt. Reduktion und minimale Abweichung sind The­ma, das Ergebnis fast konsequenter als die technisch avancierteren Übertragungen der vorangehenden Stücke.
Marco Ciciliani lässt die Geige rasche Minimalfiguren spielen, die zum Teil klangfarblich verändert werden. Eine weitere elektronische Schicht wird immer wieder durch hart eingeblendete Pop-Phrasen gebrochen. Grünes Licht erfüllt den Raum, grafische Laserzeichnungen treten hinzu. Verschiedene Ansätze stehen hier nebeneinander, manchmal zusammen, wobei die musikalische Ebene über weite Strecken recht statisch und allzu schematisch wirkt, der Eindruck des visuellen Parts teilweise ähnlich ist. Anders in Re: Mad Masters von Yannis Kyriakides. Hier sind Fetzen alter Filmmusik, verschiedene musikalische Schichten von Bild, akustischem Violinklang und Elektronik integriert. Das Bild basiert auf einem Film aus den 1950er Jahren, der jedoch nur gelegentlich in schmalstreifigen Ausschnitten zu erahnen ist. Zu lesen sind der Kommentar und die Beschreibung des Geschehens des Erzählers. Es ist einerseits ein imaginierter Film und andererseits eine Arbeit, die sich auf differenzierte Weise mit den Themen Überschreibung, Imagination und Ab­straktion befasst.

Nina Polaschegg