Cage, John

Werke für Ensemble

Four (1992)?/ Five (1988) / Hymnkus (1986)

Verlag/Label: zeitkratzer records zkr 0009
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2010/05 , Seite 85

Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 5
Repertoirewert: 4
Booklet: 3
Gesamtwertung: 4

Cage zu interpretieren ist kein Kinderspiel. Nicht nur stellt sich das «Freiheitsproblem», also die schwierige Frage, wie und womit der teils große Freiraum gefüllt werden kann, den der Amerikaner lässt. Ein weiteres vermintes Gebiet ist die Erfüllung der «Absichtslosigkeit»: Jeder Klang, der vorkommt, sollte diese eigentümliche Aura besitzen von zugleich präsentem wie ungezwungenem Dasein. Der negative Umschlag zu einem «laissez faire» ist hier ein ständiger Wegbegleiter. Bekämpft werden kann er nur durch höchste Konzentration zu jedem Zeitpunkt und das ist eben: nicht gerade ein Kinderspiel.
Im Numberpiece Five von 1988 gelingt es den fünf Interpreten des Berliner Ensembles «zeitkratzer» hervorragend, diese unprätentiöse Präsenz umzusetzen. Der Titel bezeichnet sowohl die Anzahl der Spieler als auch die der notierten Stimmen. So genannte «Timebrackets» geben an, wie lang ein ausgewählter Ton gespielt werden sollte. Schillernde Klangbänder hat das in der Lesart von zeitkratzer zur Folge, in denen fahle, sich eng aneinanderschmiegende Streicher- und Klarinettenklänge sich überlagern und eine faszinierend homogene Welt erschaffen.
Die drei eingespielten Werke entstanden alle nach 1986, also in einer äußerst produktiven Spätphase des 1992 Gestorbenen. In Hymnkus (1986) verfolgt Cage einen anderen Ansatz als in Five: Zwar eint beide Stücke der kleine Ambitus, in dem sich das Geschehen abspielt, doch wird dieser sehr unterschiedlich gefüllt. Aufgeregter geht es in Hymnkus zu, geräuschlastige Einwürfe des kratzenden Cellos oder der oft auf einem Ton insistierende Pianist sind für eine gewisse Sprödigkeit des Stücks verantwortlich, die der Komponist durch die Gegenüberstellung von konsonanten und vokalen Lauten in gewisser Weise intendierte.
Zeitkratzer ist ein unabhängig agierendes Ensemble, für das Eigenverantwortung eine wichtige Komponente ihres künstlerischen Tuns ist. Die selbst produzierten Aufnahmen entstanden während eines Auftritts beim Huddersfield Contemporary Music Festival und lassen im Vergleich zu Rundfunkproduktionen nichts zu wünschen übrig. Einzig das grafisch etwas lieblose Booklet überzeugt weniger in einer ansonsten hervorragenden Produktion, die zeitkratzer als sehr zu empfehlende Cage-Exegeten ausweist.

Torsten Möller