When!

Werke von Isang Yun, Peter Eötvös, Adriana Hölszky, Salvatore Sciarrino, René Mense, Bernd Alois Zimmermann und Klaus Huber

Verlag/Label: Querstand VKJK 1415
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2014/04 , Seite 86

Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 5
Booklet: 4

Isang Yun, Peter Eötvös, Adriana Hölszky oder Klaus Huber: die Na­men sind bekannt, klingen gängig. In Zeiten, in denen jeder ums Besondere kämpft, in denen das bloße Ereignis an die Stelle etwaiger Qualitätsfragen rückt, wird so eine Neuerscheinung vielleicht achselzuckend zur Kenntnis genommen. Frei nach dem Motto: Es sind eben alt gediente Damen und Herren, zwar nicht ganz aus einem «schlechten 19. Jahrhundert», aber doch aus Zeiten, als man noch an so etwas wie Weltverbesserung und Marxismus glaubte.
Schon mit den ersten Takten sollte es mit den Klischees vorbei sein. Wunderbar dieser Einstieg mit den so leise wie trocken gezupften Impulsen aus Isang Yuns Glissées! Sie nehmen den Hörer gleich an die Hand, nehmen ihn mit auf eine Reise, die horrend Virtuoses bietet (Touch … Windows von René Mense), ausgesprochen Poetisches inklusive gesprochener Pas­sagen (Two Poems to Polly von Peter Eötvös), schrundige Miniaturen (Nouns to Nouns II von Adriana Hölszky) wie dezent gewischte Töne, die in Salvatore Sciarrinos Al limite della notte [An den Rändern/Grenzen der Nacht] besondere atmosphärische Welten eröffnen.
Christina Meißner hat schon Johann Sebastian Bachs Cellosuite d-Moll BWV 1008 faszinierend eingespielt. Obendrein kennt sie sich als Mitbegründerin des Weimarer Ensembles klangwerkstatt bestens aus mit zeitgenössischer Musik mitsamt ihren besonderen Bedürfnissen. Mit Isang Yun arbeitete sie schon zusammen, mit Helmut Lachenmann und Adriana Hölszky. Solche Erfahrungen kulminieren in jedem Ton. Selten hat man Isang Yuns vielfältige Tonmodifikationen so differenziert vernommen. Gen unendlich tendieren die feinen Unterschiede der Vibrati in Glissées, stets kontrolliert wirken die vielen dynamischen Schattierungen. Bei allen Stücken kommt der besondere Ton Meißners zum Ausdruck. Es ist ein narrativer Ton ohne Härte, mit einer warmweichen Flexibilität, die bei zeitgenössischen Cellospezialisten ihresgleichen sucht.
Die beim Label querstand, dem Klassiklabel der Verlagsgruppe Kamp­rad, publizierte CD wurde nicht in Rundfunkstudios eingespielt, sondern speziell für die eigenen Bedürfnisse in einem Privatstudio in Jena. Dem Tonmeister Harms Achtergarde dankt Meißner für seine «einsatzstarke Liebe und Genauigkeitskraft zum musikalischen Ideal». Beides trifft auch auf die Cellistin selbst zu. So wurde when! zu einer CD, die höchsten Repertoirewert vereint mit einem maßstabsetzenden technischen wie interpretatorischen Niveau. Bei drei Stücken (Rauhe Pinselstriche von Klaus Huber, Touch … Windows von René Mense, Al limite della notte von Salvatore Sciarrino) handelt es sich übrigens um Ersteinspielungen. Vielleicht kommt so ja auch der «Neuheitsfanatiker» auf seine Kosten.

Torsten Möller