Fox, Christopher

Works for Piano

Verlag/Label: hat[now]Art 192
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2015/03 , Seite 76

Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 5
Booklet: 4


Der 1955 geborene Brite Christopher Fox gehört zu jenen zeitgenössischen Komponisten, die, ohne irgendeiner Schule anzugehören, in ihrer Musik stets das Neue suchen – und damit nicht etwa jene Klänge und Strukturen meinen, die wir seit jeher als «neu» zu definieren gewohnt sind. Elemente einer minimalistischen Ästhetik finden sich in den von Philip Thomas auf der vorliegenden CD interpretierten vier Klavierwerken ebenso wie solche der «New Complexitiy» – ohne dass die resultierende Musik dem Mainstream dieser Stilrichtungen auch nur im Geringsten ähnelte.
Im Vordergrund jedes der vier Stü­cke steht eine technische Aufgabe, die sich der Komponist selbst gesetzt hat, die aber ohne Mithilfe des Interpreten (und des Instruments!) nicht gelöst werden kann. L’ascenseur beschreibt die allmähliche Entwicklung von den tiefsten zu den höchsten Regionen des Klaviers nach Art einer Wendeltreppe, wobei die Dichte der Musik sich im Verlauf der Kom­position immer mehr ausdünnt: Die Bassregionen sind von dichten Clustern beherrscht, und am Schluss, wenn der Pianist am rechten Rand des Kla­viers angekommen ist, bestimmen nur noch Einzeltöne in schneller Frequenz das Bild.
Ein einziger Ton ist es, der das Grundmaterial von at the edge of time bildet – konterkariert von tieferen Noten, deren Saiten mit Gummi präpariert sind, um die verschiedenen Obertöne hörbar werden zu lassen. Diese Obertöne dominieren, gemeinsam mit dem Rhythmus der angeschlagenen Tasten und dem im­mer wiederkehrenden Einzelton, das klangliche Geschehen.
In Thermogenesis bedient sich Fox eines quasi theatralischen Tricks: Eine Folge von Akkorden wird vom Pianisten dreimal nacheinander gespielt, wobei beim ersten Mal seine Hände in Fäustlingen stecken, beim zweiten Mal in normalen Handschuhen; erst beim dritten Mal benutzt er «nur» seine Finger. Das Ergebnis: immer größere Klarheit.
In den Republican Bagatelles unternimmt Fox schlussendlich das Experiment, zwei Variationszyklen, einen «nach Art» Beethovens, den anderen in Ives’scher Couleur, miteinander zu verknüpfen und die beiden Themen (eines davon ist uns als Oh Tannenbaum bekannt!) zu einem neuen zu verschmelzen.
Wenn nun all diese Methoden auf den ersten Blick arg technisch anmuten, so kann vermeldet werden, dass das akustische Ergebnis alles andere als trocken anmutet. Die spielerische Freude am Experiment kommuniziert sich nicht zuletzt deswegen so unmittelbar, weil eben dieses Experiment so kompositorisch klug durchdacht und durchgeführt ist – und zwar vor allem auf pianistische Art. So neu und unerhört viele der produzierten Klänge auch erscheinen mögen: Sie sind dem Instrument abgelauscht und dem Pianisten in die Finger geschrieben – in der Absicht, dessen technische Möglichkeiten stets zu erweitern. Und nicht zuletzt vermögen sie, wenn man sich mit ihnen auseinandersetzt, den Kopf zu öffnen – sowohl den des Musikers als auch den des Hörers!
Thomas Schulz