Takemitsu, Toru / Hosokawa, Toshio

Works for Solo Guitar

Verlag/Label: NEOS 11317
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2014/06 , Seite 87

Musikalische Wertung: 4
Technische Wertung: 3
Booklet: 3

«Meine Musik ist so etwas wie ein Signal, das ich ins Unbekannte sende. Ich stelle mir vor und glaube sogar daran, dass dieses Signal auf das Signal eines anderen trifft und der physische Austausch, der daraus resultiert, eine neue Harmonie kreiert, die sich von der ursprünglichen unterscheidet. Das ist ein kontinuierlich sich verändernder Prozess. Und deshalb ist meine Musik in der Form einer Partitur nicht vollständig. Eher verweigert sie sich dieser Vervollständigung. Das ist ganz gegensätzlich zu den künstlerischen Intentionen des Westens» (Toru Takemitsu 1993).
Marco Del Greco, 1982 in Rom geboren, studierte in seiner Heimatstadt bei Carlo Carfagna und später bei Stefan Schmidt an der Musik-Akademie Basel. Del Greco nahm an zahlreichen internationalen Wettbewerben teil und gewann mit dem «53rd Tokyo International Guitar Competition» 2010 einen Preis, zu dem eine ausgedehnte Konzerttournee durch Japan gehörte, die Ende 2011 stattfand. Das nun veröffentlichte Album mit Werken von Toru Takemitsu und Toshio Hosokawa ist zugleich seine erste Solo-CD. Mit Ausnahme der Bearbeitungen von Songs von Akira Nakada, den Beatles, George Gershwin u. a. enthält sie alle Stücke für Gitarre solo, die Takemitsu komponiert hat, sowie die Serenade von Toshio Hosokawa.
Die Gitarre war dasjenige In­strument, das Takemitsu besonders schätzte und mit dem er besonders vertraut war, weil er es selber spielte. Zu den Interpreten der ersten Stun­de zählten Julian Bream, Auftraggeber der vier Stücke All in Twilight (1987), und John Williams. Auch Franz Halász und Shin-ichi Fukuda spielten Takemitsus Gitarrenwerke überragend ein.
Die Neueinspielung von Marco Del Greco dagegen hinterlässt keinen günstigen Eindruck. Die Stücke sollten gleichsam absichtslos klingen, trotz der Pausen und gewisser reflexiver Brechungen «natürlich» fließen. Es kann sein, dass Del Greco allzu viel Respekt vor Takemitsus Musik hatte; es kann auch sein, dass er die Space Notation falsch auslegt. Er phrasiert kaum, sondern buchstabiert jede Einzelheit. Die Tontechnik tut durch allzu nahes Heranzoomen an den Klang ein Übriges, um den Fluss der Musik und den möglichen Eindruck von Zusammenhang zu verhindern. Muss man wirklich jeden Atemzug des Interpreten detailliert hören?
Takemitsus Stücke sind oktatonisch angelegt, inspiriert vom Format des Notenpapiers (drei Folios, 1974), von Bildern Paul Klees (All in Twilight), Joan Mirós (Equinox, 1993) oder auch Wäldern in Nordamerika (In the Woods, 1995). Ihr Grundcharakter ist verhalten, nobel unterhaltend, doch nicht verkrampft … Berühmt wurde Folio II, dessen Ende überraschend auf ein Bach-Zitat zusteuert, auf die fünf ersten Takte des Chorals Wenn ich einmal soll scheiden, die Takemitsu in der Matthäus-Passion fand. Mit seiner Serenade (2003), bestehend aus den Sätzen In the Moonlight und Dream Path, verbleibt Toshio Hosokawa, der mit Del Greco an den Stücken arbeiten konnte, hingegen in seinem Personalstil einer meditativen Musik.

Walter-Wolfgang Sparrer