American Mavericks

Henry Cowell: «Synchrony» / Piano Concerto | Lou Harrison: Concert for Organ with Percussion Orchestra | Edgard Varèse: Amériques (1927 version)

Verlag/Label: SFSmedia SFS 0056
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2013/04 , Seite 79

Musikalische Wertung: 4
Technische Wertung: 4
Booklet: 2

Edgard Varèse nannte sich eine Art teuflischen Parsifal, der «nicht auf der Suche nach dem heiligen Gral» gewesen sei, «sondern nach der Bombe, die das musikalische Universum sprengen könnte, um alle Klänge durch die Trümmer hereinzulassen, die man – bis heute – Geräusche genannt hat». Die Bombe, mit der Varèse die Grundfesten der Musikwelt mindestens ebenso erschüttern soll­te wie Strawinsky mit seinem Sacre, diese Bombe namens Amériques irritierte nicht zuletzt wegen ihrer exzellenten Konstruktion. In Amériques rekapitulierte Varèse tradierte Formen, wenngleich mit radikalen Verschiebungen beim Gebrauch des Orchesterapparats. Nachdem Strawinsky schon den Rhythmus als zentrales Moment nobilitiert hatte, ging Varèse hier den nächsten sakrosankten Schritt in die Welt des organisierten Geräuschs. Dass er damit auf seine Weise unerreicht bleiben sollte, dafür ist die vorliegende CD ein brillanter Beleg, wenngleich unfreiwillig.
Unter dem Titel American Mavericks hat das San Francisco Symphony Orchestra mit seinem Chefdirigenten Michael Tilson zwei weiteren sogenannten Einzelgängern die Reverenz erwiesen: Henry Cowell und Lou Harrison. Cowell, der König der Cluster, rutschte in seinen Kompositionen Synchrony und Piano Concerto zwar nicht wie Harrison in seinem Concerto for Organ with Percussion Orchestra so tief in eine eklektizistische Mixtur aus Spätromantik und Expressionismus ab. Als Berserker mit Gespür für Timing und gezielt gesetzte Kitschmomente glänzt hier aber einzig und allein Varèse.

Annette Eckerle